„Jede Straßenkreuzung ist mehr belastet“

■ Reizthema Asbest: Dr. Malte Herrmann und Axel Jaiser von den an der Sanierung beteiligten Firmen Strabag und E. Schütze GmbH geben Auskunft zur Gefahrstoffsanierung im Palast der Republik

taz: Am Montag beginnt die Asbestsanierung. Sollte man den Schloßplatz ab sofort meiden?

Dr. Herrmann: Auf keinen Fall, es bleibt in etwa bei der Umzäunung, die jetzt schon steht. Auch Fußgänger, die vorbeikommen, und die Besucher vom BKA-Zelt müssen nichts befürchten. Man wird ein paar Container sehen und später die Absaug- und Filteranlagen auf dem Dach. Das ist alles. Die eigentliche Arbeit findet im Innenraum statt.

Was passiert genau?

A. Jaiser: Im Gebäude wird ein Unterdruck erzeugt, um feine Asbestfasern aus der Raumluft absaugen zu können. Über Filteranlagen werden die Schadstoffe zurückgehalten. Schleusensysteme gewährleisten, daß nichts nach außen gelangen kann.

Dr. Herrmann: Der Abtransport erfolgt in geschlossenen Containern,vermutlich per Lkw. Der Schiffsweg, der auch in der Diskussion war, wird zu teuer. Im Sommer kann es Niedrigwasser geben, im Winter Eisgang, auch die Personenschiffahrt würde leiden. Da selbst in der heißen Phase nicht mehr als zirka eine Lkw-Ladung pro Stunde anfallen wird, ist die Straße die bessere Variante.

Es gibt dabei keinerlei Risiken?

Dr. Herrmann: Die Container sind absolut dicht, das Material wird darin noch mal verpackt. Letztlich ist jede Straßenkreuzung mehr belastet. Es fahren noch genug Autos, für deren Bremsen Asbest verwendet worden ist. Asbest war zweifellos ein technisch ideales Material für den Brand- und Korrosionsschutz. Alle Ersatzbaustoffe, die wir jetzt nutzen, kommen nicht an seine universellen Eigenschaften ran. Da Asbest aber nun mal als Krebserreger gilt, wurde er auf die Verbotsliste gesetzt. Vor allem öffentliche Einrichtungen werden vorsichtshalber saniert, denn wo viele Leute unterwegs sind, entstehen Gebäudeschwingungen, die Fasern können sich lösen.

In der Ausschreibung wurden Referenzobjekte gefordert. Welche haben Sie vorzuweisen?

A. Jaiser: Wir haben alle reichlich Erfahrungen mit der Asbestsanierung von Oberstufenzentren. In Frankfurt am Main waren wir beim Postbahnhof dabei, genauso wie beim Kaufhof am Stachus in München. Hier in Berlin ist es zum Beispiel die Investitionsbank in der Bundesallee. In der Rostlaube der FU wird gerade mit der Sanierung der Hörsäle begonnen.

Dr. Herrmann: Die Strabag hat im ICC saniert, im Vorjahr dann das Ku'damm-Eck. Der Abriß, der dort jetzt erfolgt, hat mit uns nichts zu tun. Wir waren für die Asbestbeseitigung zuständig. Auch da hat es übrigens keinerlei Beeinträchtigungen gegeben, der Alltag drumherum ging normal weiter. Doch vom Auftragsvolumen her muß man deutlich sagen, daß der Palast mit Abstand die größte Asbestbaustelle ist. Deshalb machen wir das in einer Arbeitsgemeinschaft von fünf Firmen, neben unseren beiden gehören auch Bilfinger und Berger, Kemmer sowie Bohr- und Sprengtechnik Alexander dazu.

Sie haben die in der Ausschreibung geschätzten Kosten von 100 Millionen Mark deutlich unterboten und rechnen nur mit 70 Millionen. Warum?

A. Jaiser: Abweichungen sind in der Baubranche doch nichts Ungewöhnliches. Unser Angebot beruht auf Planungen, Kostenermittlungen und Erfahrungen, die wir gemacht haben. Wir haben alles genau durchkalkuliert, dabei kamen wir auf diese Summe.

Ein anderer Anbieter wollte es noch günstiger machen. Wieso haben Sie den Zuschlag bekommen?

A. Jaiser: Da können wir nur mutmaßen. Fest steht, daß wir ein schlüssiges Konzept vorgelegt haben, sämtliche technischen Details wurden sehr konkret geplant. Das war bei den anderen wohl nicht so. Eine Sachverständigenrunde hat zum Schluß noch mal eine Anhörung gemacht, die müssen wir wohl überzeugt haben.

In den letzten Jahren wurde immer wieder darüber gestritten, wieviel vom Palast eigentlich übrig bleibt nach solch einer Sanierung.

A. Jaiser: Die Fassade bleibt komplett erhalten, der Auftrag heißt nur Asbestbeseitigung. Im Prinzip verschwindet dabei die Haustechnik, also Kabel, Leuchten, Lüftungsanlagen, Rohre und so weiter. Auch Wandverkleidungen und die abgehängten Decken müssen teilweise raus, genauso der Estrich, um an den Asbest heranzukommen. Da der Asbest pur nicht gehalten hätte, wurde er mit Zement gemischt und an die Stahlkonstruktion als Brand- und Korrosionsschutz verspritzt. Diese Schichten werden jetzt abgetragen.

Dr. Herrmann: Die Arbeiten werden von einem Denkmalschutzbüro begleitet. Es werden von allen relevanten Bauteilen Muster erhalten, damit man später noch nachvollziehen kann, wie alles mal ausgesehen hat. Zum Beispiel Einbauschränke, Lichttechnik, Türanlagen. Komplett sichergestellt wird die riesige Glasblume aus dem Foyer.

Die Asbestsanierung soll zweieinhalb Jahre dauern. Der ganze Palastbau war seinerzeit nach drei Jahren fertig. Warum geht es nicht schneller?

Dr. Herrmann: Das ist nun mal eine Gefahrstoffsanierung. Der Schutzgedanke für Personal und Umwelt steht im Vordergrund. Interview: Manuela Thieme