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Landwirtschaft contra Landschaft

■ Ein Bebauungsplan soll die Zersiedlung der Sülldorfer Feldmark verhindern

Die freie Landschaft zwischen Rissen und Sülldorf übersät mit Ställen, Scharen von Reitern, die die letzten Bodenbrüter vertreiben, und Pferdehufe, die seltene Pflanze zertreten – das ist die Horror-Vision der Naturschutzverbände, und auch Bezirkspolitiker fürchten um den westlichsten Zipfel Altonas. Mit einem Bebauungsplan wollen sie daher der Ausbreitung der Bauernhöfe Einhalt gebieten, doch die Wirtschaftsbehörde legt sich im Interesse der Landwirte quer. Brisant ist der Fall, weil er für andere Freiflächen auf dem Gebiet des Stadtstaates Präzedenzcharakter haben könnte.

Bisher noch gilt für das halbe Dutzend Bauernhöfe in der Rissen-Sülldorfer „Feldmark“ privilegiertes Baurecht nach dem Baugesetzbuch: Die Bauern können überall dort Gebäude errichten, wo betriebliche Belange dies erfordern. Sie müssen zwar Bauanträge stellen, diese würden jedoch in der Regel genehmigt, sagt Manfred Braasch vom BUND. In Flächenländern sei diese Verfahrensweise in Ordnung, räumt der Umweltschützer ein, nicht jedoch in einem Stadtstaat wie Hamburg, wo freie Landschaften rar sind. Der vorgeschlagene Bebauungsplan sieht daher vor, daß die Landwirte nur auf ihren Höfen oder in deren unmittelbarer Umgebung bauen dürfen.

Bezirkspolitiker, BUND und Naturschutzbund (Nabu) sowie die Stadtentwicklungs- und die Umweltbehörde befürchten, daß das betriebliche Interesse der Bauern dazu führt, daß die Feldmark zersiedelt wird und seltene Tier- und Pflanzenarten gefährdet werden. Das Landschaftsbild der letzten großräumigen Fläche im Bezirk sei durch eine ungeordnete Bebauung gefährdet, schreibt der BUND. Nach Auskunft Lars Andersens von der GAL Altona sind bereits heute seltene Vogelarten wie die Goldammer oder der Brachvogel aus dem Gebiet verschwunden.

Wilhelm Grimm, der Präsident des Bauernverbands Hamburg, hält die Befürchtungen der Umweltschützer für völligen Blödsinn. „Man muß sich immer eine Baugenehmigung holen“, sagt der Verbandschef. Die Höfe müßten jedoch wie andere Wirtschaftsbetriebe auch die Möglichkeit haben, ihre Strukturen anzupassen und sich auszudehnen.

Im übrigen müsse auch die Möglichkeit einer völligen Neuansiedlung landwirtschaftlicher Betriebe offen bleiben, was aber in höchstens ein oder zwei Fällen in Frage komme. Einzelne Hallen auf der grünen Wiese würden nicht gebaut. „Eine Zersiedlung kann in diesem Sinne nicht stattfinden“, behauptet Grimm. Der Verbandspräsident lehnt einen Bebauungsplan daher rundweg ab. „Es ist völlig unmöglich, daß wir dem zustimmen“, sagt Grimm. Statt dessen setze der Verband auf freie vertragliche Vereinbarungen.

Sowohl der Bauernverband als auch die Naturschutzverbände erwarten, daß der Fall „Rissen-Sülldorfer Feldmark“ eine Pilotfunktion für andere Gebiete in der Stadt haben könnte. Denn in Hummelsbüttel, Osdorf und Wilhelmsburg-Ost gibt es ähnliche Konflikte.

Die Frage, ob und in welcher Form ein Bebauungsplan kommt, hängt zur Zeit auf Senatsebene fest. In der Grobabstimmung unter den Behörden hatte der Wirtschaftssenator seine Zustimmung verweigert. Pressesprecher Bernd Meyer: „Wir sind die Behörde, die die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten hat.“ Jetzt wird verwaltungsintern verhandelt. Die Stadtentwicklungsbehörde rechnet noch in diesem Jahr mit einer Entscheidung. Gernot Knödler

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