Polen ist ein Land mitten in Europa –betr.: „Abgenützter Begriff“, Interview mit Alphons Silbermann, taz vom 10. 11. 98

[...] Zwar ist sicherlich das Bild des Tores, durch das die Schienen zur „Rampe“ in Auschwitz-Birkenau führen, das bekannteste Bild von Auschwitz – vielleicht sogar das bekannteste Bild von einem KZ überhaupt –, doch die zynische Aufschrift „Arbeit macht frei“ steht in Auschwitz über dem Tor des Stammlagers, nicht aber in Birkenau. Das Stammlager wiederum ist – und war das meines Wissens auch nicht – nicht direkt mit dem Zug zu erreichen.

Gut, man mag sagen, das seien Haarspaltereien, doch zwei wichtige Punkte im Umgang mit der systematischen Vernichtung von Menschen unter Hitler scheine mir Genauigkeit und Kritik zu sein – Genauigkeit statt Floskeln über Auschwitz wie „Es ist das Jahrtausendereignis – das schlimmste“ (Silbermann) und eine kritische Haltung auch gegenüber den verschiedenen Konzepten der Beschäftigung mit der Vergangenheit.

Und ganz abgesehen davon, die polnische Kleinstadt Oswiecim ist mit dem Zug erreichbar. Polen ist durchaus nicht das rückständige Land, als das es in den deutschen Medien oftmals dargestellt wird. Es gibt dort auch Bahnhöfe außer den großen in Warszawa, Lodz, Gdansk, Gdynia, Szczecin, Wroclaw, Kraków, Katowice und vielen weiteren. Polen ist ein Land mitten in Europa. Reiner Baur, Tübingen