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■ Wenig greifbare Ergebnisse auf dem Klimagipfel in Buenos AiresExxon & Co blockieren den Klimaschutz

Der Streit auf dem Klimagipfel in Buenos Aires um den Handel mit Verschmutzungslizenzen ist mehr als nur ein Streit um die besten Mittel zum Umweltschutz, es ist ein Vehikel für die Konkurrenz der Wirtschaftsstandorte im globalisierten Wettbewerb. „Je mehr der Handel mit Verschmutzungslizenzen beschränkt wird“, heißt es in einem internen Papier des „US-Business Roundtable“ an die US-Regierung, „desto mehr würde Europa seine Wettbewerbsposition verbessern“. Dieser US-amerikanische Wirtschaftsverband – zu dem unter anderem Exxon, General Motors und die Chase Manhatten Bank gehören – rechnete den Unterhändlern der USA genau vor, welche Klimaschutzregeln ihrer Meinung nach welche Einbußen an Wirtschaftswachstum bedeuten würden. Für sie ist der Klimaschutz ein rein ökonomisches Problem. Und da gilt: Weil Europa nicht so verschwenderisch mit Energie umgeht wie das Land der unbegrenzten Klimaanlagen, hätte die EU einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, wenn mit Klimaschutz ernst gemacht würde. Die Angst der US-Wirtschaft geht so weit, daß sie auch von China verbindliche Verpflichtungen verlangt, obwohl ein US-Bürger zehnmal mehr Energie verbraucht als ein Chinese.

Diese Interessen haben auf die Verhandlungen voll durchgeschlagen. In geübter Manier haben die USA wesentliche Fortschritte verhindert. Der „Aktionsplan von Buenos Aires“ ist im wesentlichen ein Zeitplan, bis zum Jahr 2000 alle offenen Fragen zu klären, die eigentlich schon bis zu diesem Klimagipfel abgehakt sein sollten – so war es jedenfalls noch vor einem Jahr in Kioto beschlossen worden. Immerhin listet der Aktionsplan alle 138 noch offenen Fragen akribisch auf – doch letztlich ist das nur ein Verschieben.

Die Diskussion um das Klimaschutzprotokoll von Kioto hat eine neue Qualität. Als sich die Weltgemeinschaft im Protokoll von Montreal auf ein Verbot der ozonschichtzerfressenden FCKWs einigte, hatten die betroffenen Industriezweige nicht genügend Macht, ein Abkommen zu torpedieren, das die lebenswichtige Ozonschicht schützen sollte. Beim Kiotoprotokoll ist das anders: Hier geht es um die Modernisierung wichtiger Industriezweige, wie der Kohle-, der Stahl-, der Auto- oder der Mineralölindustrie. Und um unseren Lebensstil. So ist etwa der Verkehr eine der wesentlichen Quellen für den stetigen Anstieg der ausgestoßenen Treibhausgase, der auch die international so klimafreundlich auftretende EU noch vor große Probleme stellen wird.

Die USA stehen ganz vorn in der Reihe der Länder, die vehement versuchen, Schlupflöcher ins Kioto-Protokoll zu reißen. Die Polarisierung zwischen der bösen USA und den guten Europäern täuscht darüber hinweg, daß es auch hier große Widerstände und Halbherzigkeiten gibt. Schon in Kioto und diesmal wieder drohte die einheitliche Position der EU mehrfach während der Verhandlungen auseinanderzubrechen. Immer mehr EU-Länder finden Gefallen daran, selbst anderswo billig Verschmutzungsrechte einzukaufen, um zu Hause nicht so viel machen zu müssen. Und auch Deutschland, das bereits unter der früheren Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) im Klimaschutz international immer ein Antreiber war, hat nun selbst unter einer rot-grünen Regierung deutliche Probleme, wirksame Maßnahmen zu beschließen. Das beweist der mühsame Einstieg in die Ökosteuer gerade anschaulich.

Selbst wenn die Beschlüsse von Kioto bis 2000 ohne große Schlupflöcher umgesetzt würden, reicht das laut UN-Klimabericht noch nicht, um den Treibhauseffekt zu verhindern. Weitere drastische Minderungen müssen folgen. Doch die Aussichten sind nicht gut. Es deutet nichts daraufhin, daß die USA von ihren Positionen abrücken werden, nur weil man zwei Jahre länger verhandelt. Und ohne die USA wäre ein Protokoll nicht das Papier wert, auf dem es steht.

Es gibt eine Menge Klimaschutzmaßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit durch Innovationen eher verbessern als verschlechtern. Etwa Energiesparen, Wärmedämmen und die Ökosteuer. Mit solchen Maßnahmen sollte man zu Hause fortfahren, unabhängig vom schleppenden Verlauf der Klimaverhandlungen. Das ist die eigentliche Lektion von Bunos Aires. Matthias Urbach

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