: Zollschranken bleiben bestehen
Die Erwartungen für die Konferenz der Apec-Staaten in Malaysia sind gedämpft. Der asiatisch-pazifische Wirtschaftsraum wird vorerst nicht zu einer Freihandelszone. Und ein Gast nach dem anderen sagt ab ■ Aus Kuala Lumpur Jutta Lietsch
Die große Konferenz der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsregion Apec sollte eigentlich ein Höhepunkt in der Karriere von Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad werden: Als Gastgeber wollte er in dieser Woche die mächtigsten PolitikerInnen der Welt außerhalb von Europa empfangen. Mahathir hatte schon persönlich die bunten Batikhemden ausgesucht, in denen sich die 21 Staats- und Regierungschefs nach dem zweitägigen Gipfel am kommenden Mittwoch den Fotografen stellen sollten.
Auch das Ambiente ist erstaunlich. Das neue Sechs-Sterne-Hotel „Palast der Goldenen Pferde“ in einer großen Golf- und Freizeitanlage vor den Toren Kuala Lumpurs ist mit seinen unzähligen Kuppeltürmen, Säulen, geschwungenen Fenstern, schmiedeeisernen Gittern und königlichen Fluren ein besonderer architektonischer Leckerbissen.
Dennoch hat der malaysische Premier nicht viel Spaß. US-Präsident Bill Clinton hat bereits wegen der Irak-Krise abgesagt und will seinen Stellvertreter Al Gore schicken. Sein russischer Amtskollege Boris Jelzin hat sich krankgemeldet. Und die Chance, daß jetzt auch noch B.J. Habibie aus Indonesien in allerletzter Minute wegbleibt, ist nach den schweren Unruhen vom Samstag gewachsen.
Vor allem aber hat die schwere asiatische Wirtschaftskrise die Vision eines großen gemeinsamen Marktes von Rußland über China und Australien bis zu den USA und den asiatischen und lateinamerikanischen Staaten am Rande des Pazifik schwer erschüttert. Mahathir selbst, der bis zum Beginn der Währungsturbulenzen im Sommer 1997 zu den stärksten Befürwortern der Globalisierung gehörte, hat seitdem scharfe Währungskontrollen eingeführt.
Auch andere Staaten wollen derzeit lieber ihre Märkte abschotten, als sie noch weiter zu öffnen. So war es kein Wunder, daß der Plan, bereits ab kommendem Jahr die Zölle für Produkte wie Fisch, Holz, Elektronik oder Chemikalien fallenzulassen, scheiterte. Obwohl die USA hinter den Kulissen scharfen Druck ausübten, weigerten sich vor allem die Japaner standhaft, den Plan zu unterzeichnen. Statt dessen wurde das Vorhaben vertagt. Der Vorschlag solle künftig in der Welthandelsorganisation (WTO) debattiert werden, lautete der schließlich akzeptierte Kompromißvorschlag.
Andere umstrittene Fragen, wie die Schaffung eines vor allem von Japan finanzierten asiatischen Fonds, der den Mitgliedsländern in ihren Finanzkrisen helfen soll, blieben noch offen.
Auch aus anderen Gründen ist dieses Treffen nicht besonders amüsant für Mahathir: Immer wieder mußte er sich Ermahnungen seiner Gäste anhören, die ihn wegen der rüden Behandlung seines früheren Vizepremiers und Finanzministers Anwar Ibrahim kritisierten. Anwar war nach seiner Verhaftung mit einem blaugeschlagenen Auge im Gericht erschienen.
US-Außenministerin Madeleine Albright, die bereits am Wochenende zum Apec-Ministertreffen nach Malaysia gekommen war, verteidigte gestern ihre Entscheidung, die Ehefrau des wegen angeblicher „sexueller Widernatürlichkeiten“ und Amtsmißbrauch angeklagten Politikers zu besuchen: Die USA seien besorgt über sein Schicksal und verlangten ein „faires Gerichtsverfahren“. Daraufhin erwiderte die malaysische Handelsministerin Rafidah Aziz scharf: Albright könne „besuchen, wen sie wolle“. Sie würde sich möglicherweise auch überlegen, Ken Starr (der die Untersuchung im Lewinsky-Skandal leitet) zu besuchen, wenn sie in den USA sei. Daraufhin schnappte Albright zurück: „Der sitzt auch nicht im Gefängnis.“ Die Szene wurde im malaysischen Fernsehen nicht gesendet. Am Mittag erst hatte die Polizei eine Demonstrantion in der Stadt mit Wasserwerfern aufgelöst. Vor den riesigen Zwillingstürmen der malaysischen Erdölgesellschaft Petronas, Symbol der Mahathirschen Erfolgsvisionen, hatten rund hundert Anhänger des früheren Vizepremiers „Nieder mit Mahathir“ und „Freiheit für Anwar“ gerufen. Am Samstag abend war es zur größten Kundgebung seit der Verhaftung Anwars gekommen: Etwa zweitausend Menschen hatten sich in der Nähe des Hotelviertels versammelt, um friedlich zu demonstrieren, als plötzlich Schüsse fielen, die offenbar von einem Polizisten abgefeuert worden waren. Niemand wurde verletzt. Eine Kundgebung von rund 300 Teilnehmern des Apec- Gegenkongresses, ebenfalls vor den Petronas-Türmen, verlief hingegen ohne Zwischenfälle. Die Teilnehmer kamen aus zahlreichen Gewerkschafts-, Umwelt-, Menschenrechts- und Frauengruppen der Region.
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