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Die letzte lange Nacht am Rhein

Einmal im Jahr wagen Politiker, Journalisten und andere Bekannte ein Tänzchen. 47 Jahre lang war der Bundespresseball der Glanzpunkt von Bonn. Das Fest ist aus. Und schon beginnt die Keilerei um die Ballkarten für Berlin  ■ Von Daniela Weingärtner

Beim „letzten Tango“ in Bonn war das Gedränge groß wie nie. Die Tische standen noch dichter, um die 3.600 Gäste plazieren zu können. Dadurch wurde das erprobte Lieblingsspiel „Sehen und Gesehen werden“ zu einer mühsamen Angelegenheit.

Im Hotel Maritim ging es bis weit nach Mitternacht zu wie auf dem Bahnhof. Dabei erwiesen sich die Abendroben beim Nahkampf als besonders hinderlich. Ansonsten war alles wie immer: Journalisten der Bundespressekonferenz und Politprominenz versicherten sich gegenseitig mit sorgfältig gelangweilter Miene, man wäre ja gar nicht hingegangen – wenn es nicht eben das letzte Mal wäre. Der rheinische Geldadel segelte erschöpft, aber glücklich durch die Säle und spielte seine eigenen Spiele: Wer mit wem, und woher kenn' ich den noch mal?

Eine ganze Menge Erkenntnisse über die „Neuen“ in Bonn konnten die Gäste mit nach Hause nehmen: Daß der Schröder sehr klein ist und daß der neue Außenminister Bälle nicht mag – auch seine mit Spannung erwartete neue Begleiterin Nicola Leske schien sich auf einen ruhigen Abend gefreut zu haben und reagierte unwirsch auf Blitzlichtgewitter und Reporterfragen; daß der neue Innenminister Otto Schily sich durch Max Gregers Big Band (zieht die eigentlich auch mit nach Berlin?) beim Telefonieren gestört fühlte und sich deshalb lange in einen Winkel verkroch. Organisierte er – den Finger im einen Ohr, das Handy am anderen – gerade „Mehmets“ Abschiebung? Cem Özdemir, ganz vertieft in das Gespräch mit Renan Demirkan, bekam davon ein paar Tische weiter gar nichts mit. Soweit rot-grün.

Schwarze Tupfer gab es nur wenige im Gewimmel. Helmut Kohl hatte den Ball nie leiden können. Das übrige Ex-Kabinett fürchtete wohl mitleidige Blicke oder – noch schlimmer – gar keine Blicke und Blitzlichter mehr. Nur Stammgast Norbert Blüm machte es sich gemütlich. Und Peter Hintze traute sich auch her. Unter dem Motto: „Bonnamour“ hatten die Veranstalter auf Nostalgie gesetzt mit Erinnerungsfotos verblaßter Show- und Politgrößen an den Wänden und Anekdoten aus 47 Bonner Balljahren im Begleitheft.

Aber Wehmut wollte nicht aufkommen. Längst haben die Bonner ihren Frieden mit dem Umzug gemacht, ihre Familien auf Linie gebracht, dem Wechsel neue Perspektiven abgewonnen. Als die Kölner Kultband Bläck Fööss um Mitternacht anstimmt: „Irgendwas von Dir bleibt hier“, zucken nur zwei Feuerzeugflämmchen in der tanzenden Menge. Mit grimmiger Genugtuung haben die Bonner registriert, daß der 48. Bundespresseball im kleineren Kreis stattfinden wird: Das Berliner Intercontinental faßt nur 2.200 Gäste. Die wahre Weltstadt liegt eben am Rhein.

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