: Böser Brief an Baggerfreunde
EU-Kommission kritisiert Elbvertiefung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung. Schriftlicher Verweis aus Brüssel kommt per Post ■ Von Gernot Knödler
Im Streit um die Elbvertiefung haben die Naturschützer einen Teilerfolg errungen: Weil mit dem Ausbaggern begonnen wurde, noch bevor die Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen war, wird Deutschland von der Europäischen Union verwarnt werden. Das erklärte gestern die EU-Kommission in Brüssel. Ein entsprechender Brief werde dieser Tage an die Bundesregierung abgeschickt. Das beweise, daß sich Umweltbelange nicht so einfach vom Tisch wischen ließen, freut sich Paul Schmid vom BUND-Hamburg über die „Bestätigung unserer Einwände.“
Der damalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) und Hamburgs Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) hatten die Bagger im Dezember vergangenen Jahres für eine „vorgezogene Teilmaßnahme“ auf den Fluß geschickt. Im Vorgriff auf das eigentliche Projekt sollten sie einen knapp 100 Kilometer langen Flußabschnitt außerhalb Hamburgs schon einmal um 15 bis 35 Zentimeter vertiefen. Mehrere Landesverbände des BUND beschwerten sich daraufhin bei der EU-Kommission, die im Gegenzug die Bundesregierung als Träger des Vorhabens um eine Stellungnahme bat.
Bonn argumentierte, die vorgezogene Vertiefung sei nötig, um den Hamburger Hafen wettbewerbsfähig zu erhalten und so Arbeitsplätze zu sichern. Es sei nicht erforderlich, das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) abzuwarten, weil nur wenig gebaggert werde und die Veränderung des Flußbetts bei nachträglichen Bedenken leicht rückgängig zu machen sei.
Die EU-Kommission ist anderer Meinung: Deutschland habe nicht nur die EU-Richtlinien über die UVP, sondern auch die Vorschriften über die Erhaltung natürlicher Lebensräume sowie wild lebender Tiere und Pflanzen verletzt. Wenn der in den nächsten Tagen erwartete Mahnbrief aus Brüssel in Bonn eintrifft, wird damit ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das grundsätzlich bis zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg führen kann.
Dieses Mal kommt Deutschland jedoch mit einem blauen Auge davon: Ein Geldstrafe in Millionenhöhe für die Bundesregierung oder den Stadtstaat Hamburg, der ja baggern ließ, ist nicht zu erwarten. Erst im Wiederholungsfall, das heißt wenn der Bund und die beteiligten Länder die eigentliche Elbvertiefung ohne die notwendigen Untersuchungen durchzögen, drohen Strafen.
Die Umweltschützer vom BUND sind mit dem Warnschuß dennoch ganz zufrieden. In den Augen Paul Schmids hat die EU-Kommission klargemacht, daß sich die Deutschen an die Spielregeln halten müssen: „Solange die kleinste Rechtsunsicherheit besteht, kann es sich Hamburg nicht leisten, die Elbe zu vertiefen.“
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