: Tortur vor Gericht
■ Offenbar um Streß wegen Aufenthaltsrecht zu reduzieren, geht ein Türke gegen in Berufung / Ex-Frau und Vergewaltigungsopfer muß Glaubwürdigkeit beweisen
Das Ehepaar Yüksel* hat nur noch wenig gemeinsam. Ein paar vergangene Ehejahre, eine Tochter, eine lebhafte Abneigung gegen den jeweils anderen Ehepartner – und die türkische Staatsangehörigkeit. Das ist nicht viel. Doch das reicht, um eine Geschichte, die eigentlich spätestens mit der Scheidung des Paares vor gut einem Jahr beendet sein sollte, gerichtsrelevant lebendig zu halten. Gestern trafen sich die beiden Ex-Eheleute vor dem Bremer Landgericht wieder. Dort hatte Ehemann Erhan Yüksel Berufung gegen ein Gerichtsurteil des Bremer Amtsgerichts eingelegt.
Im Scheidungsjahr 1997 war Erhan Yüksel, damals noch Ehemann der in Bremen geborenen Emine, vom Amtsgericht wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilt worden. Das Gericht hatte der damals 27jährigen Frau geglaubt, daß dieser sie mindestens dreimal brutal vergewaltigt hatte. Daß die Frau über diese Vorfälle im Herbst 1993, als die Ehe offiziell noch nicht in Frage stand, monatelang geschwiegen hatte, wollten ihr der Ex-Mann und dessen Anwalt gestern zum Nachteil auslegen. „Späte Rache“ sei hier im Spiel, trugen sie vor.
Zwar räumte der Berufungskläger wenig reumütig ein, seine Frau tatsächlich geschlagen zu haben. „Es gab viel Streit, weil ich eine andere Freundin hatte“, berichtete er gestern. Aber geschlagen habe er sie doch nur ein bißchen – auch wenn ein ärztliches Attest dies anders bescheinigt. Nicht mehr als der Koran gestatte. Und Vergewaltigungen habe es nie gegeben.
Statt Schuld zu bekennen, stellte sich Erhan Yüksel als Opfer seiner Frau dar. Diese habe mit ihren Vorwürfen das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter erzwingen wollen. „Sie will mich fertig machen.“ Vergewaltigt habe er die Frau, die – auch das wollte er gegen sie wenden – bereits vor der Hochzeit einmal von ihm schwanger war, nie. Das Urteil des Amtsgerichts, eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung, sei folglich ungerecht.
„20mal war ich in den letzten zwei Jahren wegen ihr vor Gericht“, wehklagte der bleiche, schmale Mann gestern mit Blick auf die zierliche Frau, die sich mittlerweile persönlich und beruflich gefestigt hat und eine Kantine leitet. Dabei habe er ihr sogar die Scheidung nach türkischem Recht ermöglicht. „Da herrscht nämlich keine Waffengleichheit“, fügte der deutsche Anwalt erklärend hinzu. „Ohne die Zustimmung des Ehemannes kann die Frau nicht von ihm weg – oder jedenfalls nur unter bestimmten Bedingungen.“ Möglicherweise, so stellte er später in den Raum, sei es ja deshalb zu den schweren Vorwürfen von „dieser, ich nenne es mal Vergewaltigungsarie“ gekommen. Völlig unnötig – seien beide doch jetzt geschieden und wieder verheiratet. „Hier geht es um die Glaubwürdigkeit der Klägerin“, faßte der Anwalt des arbeitslosen Ex-Ehemanns, der weder für das eheliche noch für ein außereheliches Kind aufkommt, zusammen.
Was vor Gericht gestern nicht zur Sprache kam: Die neue Ehefrau seines Mandanten Yüksel ist aus der Türkei eingereist. Ihres wie sein Aufenthaltsrecht hängen vom Wohlverhalten Erhan Yüksels ab. Und dabei könnte es dem Mann helfen, ein milderndes Urteil in der Berufung zu erreichen. Ob das gelingen wird, ist allerdings fraglich. „Überlegen Sie sich gut, ob sie dieses Verfahren hier wirklich fortsetzen wollen“, mahnte Richter Werner Oetken am Ende des gestrigen ersten Verhandlungstages. Er warne davor, nun auch noch die Eltern, bzw., Schwiegereltern der Frau als ZeugInnen „da hineizuziehen“.
Der jungen Frau konnte er eine Wiederauflage ihrer schmerzlichen Erfahrung nicht ersparen. Doch auf jede noch so spitzfindige Nachfrage des Anwaltes ihres Mannes wußte sie eine glaubhafte Erklärung. Warum sie erst lange nach der Trennung die Vergewaltigungen angezeigt habe, wurde sie befragt. Sie habe auf Rat ihres Anwaltes die ständige Bedrohung durch den Ehemann angezeigt, gab sie an. Dabei seien auch die Vergewaltigungen zur Sprache gekommen. Mehr aus Versehen, so scheint es. Das Geheimnis, für das sie sich schämte, flog auf. Künftig war sie nur noch Nebenklägerin. Die Staatsanwaltschaft wurde tätig. ede
*Name geändert
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