: Politisches Gewissen abgesprochen
■ Asylbundesamt betrachtet Iranerin bei Rückkehr als nicht gefährdet / Sie müsse dort nur sagen, sie habe sich hier nur politisch engagiert, um in Bremen Asyl zu bekommen
Die Protestnoten waren schon in Planung, der Demotermin der iranischen Volksmudjaheddin vor dem Bremer Verwaltungsgericht angesetzt – da wurde der drohenden Abschiebung von Fathia D.* und ihren beiden Töchtern in letzter Minute Einhalt geboten. Bis zu einer gerichtlichen Asylentscheidung dürfen Frau D. und ihre elf und 13 Jahre alten Töchter jetzt in Bremen bleiben. „Alles andere wäre ein einmaliger Skandal gewesesen“, sagt deren Anwalt Karim Popal. Denn die Begründung, warum das Bremer Asylbundesamt der Iranerin einen Asylfolgeantrag, den sie mit ihren exilpolitischen Aktivitäten begründet hatte, im kurzen Prozeß verweigerte, sei „einigermaßen ungewöhnlich“, so der Anwalt spitz.
Während die gelernte Krankenschwester fürchtet, daß ihr Engagement für die oppositionellen Volksmudjaheddin bei einer Abschiebung in den Iran gefährlich werden könnte, wollte der Entscheider beim Asylbundesamt davon wenig wissen. Er befand, ihr sei die Rücckehr in den Iran zuzumuten. Eine politische Verfolgung oder gar Gefährdung ihrer Person sei – trotz Teilnahme an Demonstrationen und anderem – nicht wahrscheinlich. Fathia D. müsse sich den Mullahs nur dahingehend „offenbaren“, daß sie die exilpolitischen Aktivitäten „nicht aus eigener Überzeugung“ unternommen habe – sondern lediglich, um in Deutschland bleiben zu können.
„Diese Argumentation ist unerhört“, wettert Anwalt Karim Popal. „Da wird meiner Mandantin jede politische Überzeugung abgesprochen.“ Würden Asylentscheider sich mit derartigen Argumentationen durchsetzen, würde das Asylrecht völlig unterminiert. So könnte man quasi jeden Asylantrag aushebeln. Daß der Entscheider außerdem Ratschläge für den Umgang mit den iranischen Behörden gebe – und aus deren Sicht quasi vorab die Lage der Frau im Fall einer Abschiebung bewerte – sei anmaßend. Eigentlich habe er die angeführten Asylgründe prüfen sollen.
Herausragend ist da vor allem der Protest von Fathia D. bei der Fußballweltmeisterschafts-Begegnung USA-Iran im Sommer in Lyon. Die Mittvierzigerin, deren Schwester über eine Duldungsregelung Ende der 80er Jahre in Bremen bleiben durfte, und deren Bruder hier Anfang der 90er Jahre als politischer Flüchtling anerkannt wurde, stand mit geballten Fäusten inmitten einer Gruppe von Iranerinnen, die Sprüche gegen das Mullah-Regime riefen. „Da wurde von den offiziellen Medien gefilmt, aber auch die Agenten der iranischen Sicherheitspolizei beobachteten und fotografierten“, sagt ihr Anwalt. Dies bestätigten nicht nur ZeugInnen – sondern auch eine Fotografie der Asylsuchenden auf dem Titelblatt des hierzulande erhältlichen Organs der Volksmudjaheddin. „Darauf ist sie deutlich zu erkennen“ – auch bei anderen Anlässen habe die Frau in der ersten Reihe gestanden. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von 1997 gelten die Volksmudjaheddin als die einzige für das Regime derzeitig bedrohliche Oppositionsgruppe. Ob abgeschobene Asylbewerber gefährdet sind, gilt als strittig; darüber wird das Gericht jetzt entscheiden. Seit Frau D. eines Tages weinend in der Schule auftauchte, um ihre Tochter abzuholen, steht für deren LehrerInnen dagegen fest: „Die Familie soll bleiben.“
ede
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