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Darben im Passat

■ Armut auf hohem Niveau in Zeiten von Dienstleistung – ein Erfahrungsbericht

Im Frühjahr waren wir auf Teneriffa, meine Freundin hatte bei den Berliner Gasbetrieben Gasag einen Reisegutschein über 2.000 Mark gewonnen, einfach weil sie eine Einzugsermächtigung gegeben hatte. Die Reise war über TUI organisiert. Auf Teneriffa gibt es die Süddeutsche, FAZ, sogar die Berliner Zeitung schon am selben Tag, zirka 11 Uhr. Man schläft also aus, geht zum Kiosk und kriegt die Zeitung, genau wie zu Hause. Bäcker, Ärzte, Restaurants und natürlich Beerdigungsunternehmen sind alle deutsch. Am schwarzen Vulkanstrand liegen Menschen auf weißen Plastliegen, Operationsnarben, so weit das Auge reicht. Junge, gesunde Körper sind langweilig, jedenfalls im Verhältnis zu der Ansammlung von altem Fleisch, das hier in der Sonne liegt. Außer Deutschen gibt es Engländer und merkwürdigerweise Finnen.

Aber jetzt sind wir wieder zu Hause, haben das zweite Kind und versuchen, mit unserer Armut auf hohem Niveau zu Rande zu kommen. Die SPD ist an der Macht, das heißt, alles wird teurer, aber es gibt auch mehr Kindergeld. Scharping als Verteidigungsminister, das ist schön. Ein Freund hat neulich erzählt, wie er die „Tagesschau“ mit Gebärdensprache für Gehörlose sah und die Dolmetscherin wie wild fuchteln mußte, bis dann Scharping im Interview war und sie sich ganz gemächlich bewegte. Scharping als Verteidigungsminister bedeutet: Es gibt keinen Blitzkrieg, und das ist gut ohne Einschränkung.

Meine „Berliner Zimmer“- Kolumne im Berlinteil der taz ist leider abgeschlossen. Pro Kolumne gab's zwischen 100 und 130 Mark, wenn sie es täglich gebracht hätten, hätte ich davon leben können. Aber sie kam nur sehr unregelmäßig. Viele „Zimmer“ hab' ich auch umsonst gemacht, weil die Leute inzwischen wahnsinnig geworden waren und nicht mehr fotografiert werden wollten oder weil sie verschwanden oder die Zimmer umgeräumt wurden. Immer wenn ich nachrechne, und ich sammle seit einiger Zeit Quittungen, merke ich, daß das Schreiben ein Hobby ist, für das ich sehr viel Geld ausgebe. Drucker, Computer, Tintenpatronen, Briefumschläge, Marken, Faxmodem, Telefonrechnung. Und jetzt der neue Laptop. Sagt da jemand: „Aber man braucht doch keinen Computer!“ Ha! Den will ich sehen, der heute noch Artikel hand- oder maschinegeschrieben bei einer Zeitung unterkriegt. Ich besitze einen funktionierenden Computer, an dem ich schreibe, und einen kaputten Laptop, den ich meinem Vater geschenkt habe. Aber ich brauche einen neuen Laptop, weil ich viel in Bibliotheken recherchiere und keine Lust habe, alles vorher zu kopieren und dann zu Hause abzuschreiben.

Der kaputte Laptop war ein Aero von Compaq. Der war schön klein, doch leider ging er so oft kaputt, daß ich es nicht aufzählen kann. Ich hatte zwei oder drei Modelle, die, zusammengezählt, ungefähr 10- bis 15mal kaputtgingen. Immer derselbe Fehler, ohne daß sie es jemals repariert bekamen. Die Ausfallzeit, also die Zeit, in der das Gerät in Deutschland und Berlin von Werkstatt zu Werkstatt pendelte, ohne daß ich es benutzen konnte, war addiert mindestens zwei Monate. Ein Bekannter behauptet, daß Bill Gates mit seinen PCs mehr menschliche Lebenszeit vernichtet hätte als Hitler. Bei den PCs scheint es, als hätte ein wahnsinniger Konstrukteur eine Million Trabants zu einem neuen Fahrzeug der Superlative zusammengeschweißt. Und Trabants bestehen bekanntlich außen aus Duroplast. Meinen Trabant mußte ich inzwischen abmelden, ich hoffe, irgendwann die Reparaturen für den neuen TÜV bezahlen zu können. Ich glaube nämlich, daß es meine Bestimmung ist, dieses Auto der nächsten Generation möglichst funktionstüchtig zu übergeben. Wir haben jetzt einen VW Passat, das ist noch ein Indiz für Armut auf hohem Niveau. Trotz der zwei Kinder brauchen wir das Auto nicht wirklich. Es ist bequem, ein kleiner Luxus. Der Passat, Baujahr 1986, ist von der Mutter meiner Freundin. Sie überließ ihn uns für 1.200 Mark. Im Jahr kostet er allerdings mehr.

Der Maro Verlag will meinen ersten Roman zum Frühjahr bringen, im Vertrag steht als Vorschuß 1.000 Mark. Soviel habe ich für Kopien und Porto ausgegeben, als ich das Manuskript zu den Verlagen schickte. Die Zeit, in der Autoren nicht jammern, wie schlecht es ihnen geht, diese Zeit wird niemals kommen. Falko Hennig

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