Öcalan wäre gerne ein Politiker

Der PKK-Chef will als „politische Persönlichkeit“ in Italien bleiben. Doch dort möchte man ihn nach Deutschland abschieben. Am liebsten aber hätten ihn die Türken  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Auch in Haft sorgt der Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan (49), für Gesprächsstoff. Gestern verhandelte Bundesaußenminister Otto Schily in Rom mit seiner Amtskollegin Rosa Russo Jervolino über den prominenten Asylbewerber. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sprach am Rande der Herbsttagung der Westeuropäischen Union in der italienischen Hauptstadt mit seinem türkischen Gegenpart Ismail Cem.

Die Türkei hatte bereits 1982 Haftbefehl gegen Öcalan erlassen – zwei Jahre bevor die PKK den bewaffneten Kampf aufnahm –, Deutschland 1990. Öcalan sei „in Köln, Rüsselsheim und anderen Orten der Bundesrepublik Deutschland als Rädelsführer an einer Vereinigung beteiligt“, deren Ziel es sei, Mord und Totschlag zu begehen, heißt es in dem deutschen Haftbefehl. Der PKK-Chef selbst soll 1984 in Rüsselsheim an einem Mord an einem „Verräter“ beteiligt gewesen sein.

Die italienische Regierung würde den ungebetenen Gast am liebsten nach Deutschland abschieben, denn in der Türkei existiert zumindest formal die Todesstrafe. Doch in Deutschland scheint man nicht besonders erpicht darauf zu sein, den PKK-Chef hinter Gittern zu beherbergen. Warnte doch die PKK nach Öcalans Festnahme vor „unkontrollierbaren“ Protesten. Aus Karlsruhe hieß es, Generalbundesanwalt Kay Nehm prüfe die für einen Auslieferungsantrag notwendigen Unterlagen. Allerdings sei man bisher weder von den italienischen Behörden offiziell über Öcalans Festnahme informiert worden, noch sei bekannt, ob der Anlaß dafür der deutsche Haftbefehl sei.

Die Lösung könnte aus Ankara kommen: Angesichts der Chance, ihrem „Staatsfeind Nummer eins“ den Prozeß machen zu können, plant die türkische Regierung die Abschaffung der Todesstrafe. Justizminister Hasan Denizkurdu will dem Kabinett noch in dieser Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Unterstützer Öcalans mögen sich mit dessen Festnahme nicht abfinden. Der Europasprecher der PKK, Kani Yilmaz, rief zu Protesten und Hungerstreiks auf. In Rom versammelten sich auch gestern Hunderte Kurden vor dem Militärkrankenhaus, in dem Öcalan festgehalten wird. Nach ihrer Sicht der Dinge ist der PKK-Chef am vergangenen Donnerstag aus freien Stücken aus Moskau nach Italien „eingereist“, von einer Verhaftung könne keine Rede sein. Dem PKK-Sender MED-TV sagte Öcalan, nun würden „die notwendigen Schritte unternommen, um mir in diesem Land einen Aufenthalt als politische Persönlichkeit zu ermöglichen“.