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Brennende Geschlechtsteile

Deutschlands erstes Fachgeschäft für Kondome feierte gestern sein zehnjähriges Jubiläum. Aus zwei Filialen wurde ein international expandierender Verhütungskonzern  ■ Von Andreas Spannbauer

Rezession? Von wegen. Die Kondom-Branche boomt wie verrückt. „Pasta Pimpernelli“, Penis- Krawatte und Socken mit fröhlicher Geschlechtsteil-Illustration helfen der krisengeplagten deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine. Das ist die Bilanz des ersten Fachgeschäftes für Verhütungsmittel, Condomi, das gestern sein zehnjähriges Bestehen feierte.

Zehn brennende männliche Geschlechtsteile, selbstverständlich aus Wachs, muß Geschäftsführer Peter Altmann ausblasen, bevor die Sachertorte angeschnitten werden kann. „Geschenkt wird immer“, sagt der 39jährige bei derPressekonferenz in seinem Laden im Berliner Stadtteil Schöneberg, und Geschenkartikel seien schließlich das zweite Standbein des Unternehmens, das vor zehn Jahren gleichzeitig in Berlin und Köln ins Leben gerufen worden war.

Das Projekt beweist: Vasen, Feuerzeuge, Uhren lassen sich hervorragend in die Form des männlichen Geschlechtsteiles bringen. Höchstens noch der Schirmständer fehlt im Sortiment. Geachtet wird auch auf Kompatibilität zur Saison. „Nicht nur der Weihnachtsmann denkt an dich“, steht auf dem prall mit Verhütungsmitteln gefüllten Adventskalender.

Ob der Umsatz orgasmusartig in die Höhe geschnellt ist, will Altmann „als Geschäftsmann“ nicht verraten. Sicher aber ist, daß der Laden läuft. Neben dem Geschäft in der Motzstraße soll jetzt auch im Komplex der Hackeschen Höfe im Bezirk Mitte eine Filiale entstehen. Weltweit existieren elf Vertretungen, davon eine auf Mallorca. 1997 hat Condomi auch die Erfurter Firma Mondos aufgekauft, 180 Millionen Kondome werden dort jährlich produziert.

„Wir wollen das Thema Kondom aus einem ganz anderen Winkel betrachten“, so das Credo des Geschäftsführers. Was sich in den zehn Jahren verändert hat? „Die Skandinavier haben die Normen in die Höhe getrieben“, sagt Altmann – vor knapp zwei Jahren gab es eine EU-weite verbindliche Normerweiterung von 16 auf 17 Zentimeter Durchschnittslänge. Von deutschen Männern habe es jedoch keine Beschwerden gegeben.

Probleme hatte der Kondom- Konzern in Bayern. Der Versuch, in München eine Filiale zu eröffnen, ging gründlich in die Hose: Er scheiterte am Widerstand der Bevölkerung. Insgesamt sei die Akzeptanz des Verhütungsmittels in der vergangenen Dekade aber deutlich gestiegen. Nicht nur durch die anhaltenden Safer-Sex-Kampagne im Zeitalter von Aids habe sich der Umgang von 1988 bis heute liberalisiert. Daß der Gummi nicht länger als „Liebestöter“ gilt, schreiben sich die Betreiber selbst auf die Fahnen. Sie hätten „Spaß in die Prävention“ gebracht. Heute sei Condomi eine „nicht mehr wegzudenkende Institution“.

„Doppelmoral“ herrsche allerdings nach wie vor unter den Herstellern: Pariser für Homosexuelle oder Prostituierte seien bis heute nicht als solche gekennzeichnet. „Extra stark“ oder „reißfest“ lauten die Codes, mit denen Branchenmagneten wie „London“ den schwulen Kundenstamm auf sich aufmerksam machen.

Wer zum Fest der Liebe also noch ein Geschenk mit Geschmack sucht, wende sich an Condomi. Aber Vorsicht: „Dildos, Vibratoren und Liebeskugeln sind vom Umtausch ausgeschlossen.“

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