piwik no script img

In Zentralafrika wächst die Angst vor Krieg

Nach den Niederlagen des Tschad im Kongo steigt die Sorge um die Stabilität der gesamten Region. Die in der Zentralafrikanischen Republik stationierte UNO-Truppe hält sich für nicht zuständig  ■ Aus Bangui Dominic Johnson

Tief in einem der unzugänglichsten Urwald- und Buschgebiete der Welt, am Rande des Kongobeckens im Norden der Demokratischen Republik gleichen Namens, entscheidet sich womöglich der Krieg, den sechs afrikanische Staaten um die Kontrolle des riesigen Landes im Herzen Afrikas führen. Direkte Zusammenstöße zwischen den Truppen des Tschad, die hier zur Unterstützung der kongolesischen Regierung von Präsident Laurent-Désiré Kabila stationiert sind, und denen der von Uganda und Ruanda geführten kongolesischen Rebellenkoalition RCD haben zu einer Niederlage des Tschad geführt. Nun könnte der Norden des Kongo schnell für die Truppen Kabilas verlorengehen, was erhebliche Konsequenzen für die regionale Machtkonstellation hätte.

Tschadische Quellen in Bangui, Hauptstadt der zwischen Kongo und Tschad gelegenen Zentralafrikanischen Republik, bestätigen, daß die tschadischen Truppen im Kongo sich auf den Ort Gbadolite im Nordwesten des Landes zurückgezogen haben. Der „strategische Rückzug“ erfolgte auf einen erfolglosen Versuch der Tschadier, die von den Rebellen gehaltene Stadt Buta im Nordosten des Kongo zurückzuerobern.

Tschad hat etwa 2.000 Soldaten im Norden und Westen des Kongo stationiert, während Einheiten aus Angola, Simbabwe und Namibia weiter südlich dem Kabila-Regime beistehen. Die Unterstützung des Tschad, zugleich zentraler Standort des französischen Militärs in Afrika, für Kabila gehört zu den überraschendsten Entwicklungen des Kongo-Krieges und hat Spekulationen genährt, wonach der Kongo in das frankophone Lager in Afrika zurückkehre.

Aus tschadischer Sicht hat die Kriegsteilnahme strategische Gründe, die mit der prekären Sicherheitslage in der an den Tschad angrenzenden Zentralafrikanischen Republik zu tun haben. Für den von Bürgerkriegen geplagten Tschad ist es wichtig, daß dieses Land einigermaßen ruhig bleibt. Die Zentralafrikanische Republik hat aber keine eigene schlagkräftige Armee. Eine 1.600 Mann starke UNO-Blauhelmtruppe („Minurca“) kontrolliert Bangui und die wichtigsten Provinzstädte – eine Truppe, an der auch Tschad und Frankreich beteiligt sind. Und General Barthelemy Batanga, der gabunische Kommandant der UNO-Truppe, stellt klar, daß die „Minurca“ im Falle eines Übergreifen des Kongo-Krieges auf die Zentralafrikanische Republik nichts tun könne: „Ich werde niemals den Schießbefehl erteilen, falls der Krieg über die Grenze kommt“, sagt er – außer zum Schutz der UN-Truppe selber. Seine Aufgabe bestehe darin, „wachsam genug zu sein, damit es zu keinen Übergriffen kommt“.

Aber gerade weil der Tschad die Zentralafrikanische Republik als Basis für seinen Kongo-Krieg nutzt, könnte das Land in den Konflikt hineingezogen werden. Die UNO spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Die UNO in Bangui bestätigt, daß zweimal tschadische Truppen auf dem Weg in den Kongo auf dem theoretisch von der UNO kontrollierten Flughafen von Bangui zwischengelandet sind. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR schickte letzte Woche 840 ruandische Hutu-Flüchtlinge aus Bangui in den Kongo, wo sie nach allgemeiner Auffassung als Soldaten rekrutiert werden sollen. Bei Bangassou im Osten der Zentralafrikanischen Republik soll es zu ethnischen Zusammenstößen gekommen sein. Hier leben auch ehemalige zairische Militärs.

Wenn die mißglückte tschadische Militäraktion im Norden des Kongo tatsächlich dazu führt, daß die kongolesischen Rebellen und ihre Unterstützer hier jetzt größere Geländegewinne erzielen, könnte die explosive Lage sich weiter verschärfen. „Sollte der Krieg im Kongo die Grenze der Zentralafrikanischen Republik erreichen, fliegt dieses Land auseinander“, sagt ein hoher Militär in Bangui. Vorerst halten die tschadischen Soldaten in Gbadolite still.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen