Press-Schlag: Schau mir in die Augen!
■ Das Dopingurteil in Sachen Thomas Ernst
Können diese Augen lügen? Bestimmt nicht, meinte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und sprach Fußballtorhüter Thomas Ernst (VfL Bochum) vom Dopingvorwurf frei. Die Richter glaubten den Bochumern, daß Ernst das ephedrinhaltige Mittel von Mannschaftsarzt Schubert tatsächlich erst während des Spiels in Kaiserslautern nach einer Verletzung bekommen hatte, und sie glaubten auch, daß dies ohne böse Absicht geschah. Aber können die Augen von Uta Pippig lügen? Die von Richard Virenque, Christine Arron, Michelle Smith-de Bruin, Katrin Krabbe?
Wie bei jedem Dopingfall bleiben Fragen. Was wäre gewesen, wenn Tour-Sieger Marco Pantani nach einer Alpenetappe Ephedrin im Urin gehabt und behauptet hätte, den Stoff unwissentlich vom verwirrten Mannschaftsarzt erhalten zu haben? Hätten dann Ärzte wie DFB-Doktor Kindermann auch erklärt, daß die inkriminierte Substanz „absolut keinen Einfluß auf die Leistung“ habe? Und wie kommt eigentlich ein Mittel auf die Dopingliste, von dem Bochums Dr. Schubert kühn behauptet, es sei „an Harmlosigkeit kaum zu überbieten“? Mit besonderem Erstaunen wird dies Diego Maradona hören, der bei der WM 1994 in den USA mit großem Getöse ausgeschlossen wurde – wegen Ephedrinmißbrauchs. Sein Arzt hatte in einem Drugstore einen Appetitzügler erworben, der die verbotene Substanz enthielt.
Die Geschichte vom fahrlässigen Trainer oder Arzt ist mitnichten neu. Als Australiens Topschwimmerin Samantha Riley 1996 des Dopings überführt wurde, bekam ihr Trainer eine zweijährige Sperre, sie selbst erhielt nur eine Verwarnung und durfte bei Olympia starten. Im Falle von Richard Upton, australischer Silbermedaillengewinner der WM 1998 in Perth, war die Hausärztin die Übeltäterin. Upton kam glimpflich davon. Im Gegensatz zu Maradona hatten die Schwimmstars und diverse andere Sportler in ähnlichen Fällen das Glück, daß ihr Fall zunächst vom eigenen nationalen Verband verhandelt wurde. Genau deshalb sieht der neue Entwurf eines Dopinggesetzes in Frankreich vor, daß Sportverbänden bei zu laxem Vorgehen hohe Geldstrafen und der Entzug der ministeriellen Lizenz drohen.
Im Falle Ernst sieht es – können diese Augen lügen? – bei allen Vorbehalten so aus, als sei das Urteil des DFB-Sportgerichts vertretbar. Nicht jedoch, was die Wertung des von Bochum mit 3:2 gewonnenen Spiels betrifft, das Kaiserslautern in vorauseilendem Gehorsam herschenkte, weil Trainer Otto Rehhagel in der ersten Halbzeit vier Nicht-EU-Ausländer eingesetzt hatte. Immerhin bestritt der VfL den Großteil der Partie mit einem gedopten Torwart. Entscheidend war das vielleicht nicht, aber mit Sicherheit entscheidender als die Tatsache, daß für Kaiserslautern zwei Minuten lang vier Nicht- Europäer auf dem Rasen standen. Matti Lieske
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