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Reformen genüßlich eingestampft

■ An der Wilhelms-Universität Münster gibt es im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften einen Professor für über 3.000 Studenten. Weiteren Reformstudiengängen droht das Aus

Wenn ein Professor in Ruhestand geht, erregt das in der Regel wenig Aufsehen. Im Fall von Dietmar Krafft ist das anders. Bei seinem Abgang von der Westfälischen Wilhelms-Universität hinterläßt er eine beachtliche Altlast: Die Ausbildung von 3.300 StudentInnen des Studienganges Wirtschaftspolitik liegt fortan in den Händen nur noch eines einzigen Hochschullehrers. Die Professur Kraffts soll nicht neu besetzt werden.

Die Personalsituation war in dem wegen seiner starken Berufsorientierung sehr beliebten Nebenfachstudiengang Wirtschaftpolitik (Wipo) schon seit einiger Zeit prekär. Nun gehen die Studenten auf die Barrikaden. Als „kompletten Irrsinn“ bezeichnet auch Krafft die Politik seiner Universität. Besonders peinlich für Nordrhein- Westfalens zweitgrößte Wissensschmiede: Eingeführt wurde Wirtschaftspolitik erst 1989, um die Chancen der AbsolventInnen der geisteswissenschaftlichen Fächer auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und um einer stärkeren Berufsorientierung der Hochschulen nachzukommen. Von dem Schicksal der Wirtschaftspolitiker hängt außerdem die Zukunft eines weiteren praxisorientierten Studienganges ab. Für die StudentInnen der angewandten Kulturwissenschaften sind viele der Wipo-Veranstaltungen Pflicht. Entfallen sie, wird es auch diesen Studiengang trotz der ausgezeichneten Chancen der AbsolventInnen auf dem Arbeitsmarkt künftig nicht mehr geben. Die Notstandssituation, der somit gleich zwei Reformstudiengänge zum Opfer fallen, ist nicht zuletzt das Ergebnis interner Querelen. Die Wirtschaftspolitiker konkurrieren mit den anderen Studiengängen des Fachbereichs Sozialwissenschaften um Personal und Mittel.

So wird der Lösungsversuch, einen Ersatz für die wegfallende Wipo-Stelle aus dem Bestand der Soziologen zur Verfügung zu stellen, von diesen nun mit allen Mitteln zu verhindern gesucht. Die Studenten wollen den Niedergang ihres Studiengangs nicht hinnehmen. „Auf der einen Seite wird ständig Praxisbezug gepredigt, kosten darf der aber nichts“, ärgert sich Wipo-Student Sven Pastoors. Verantwortlich für den Skandal ist seiner Meinung nach neben der Uni auch das Land: „Die schieben die Verantwortung dafür hin und her.“ Nach den großen Worten über mehr Praxisorientierung ist man in Münster nun also wieder dabei, die erst vor wenigen Jahren geschaffenen Reformansätze genüßlich wieder einzustampfen.

Statt durch Fortschrittlichkeit zu glänzen, dürfte die Uni Münster damit als katastrophales Fallbeispiel in die Hochschulgeschichte eingehen. Kristine Schmidt

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