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Naß schwankende Erde

Nur selten verschlägt es Touristen in die Sumpflandschaft Okefenokee Swamp in Georgia. Per Kanu durch eine ungewohnte, unbewohnte Natur reiste Petra Hirschel

Unser Kanu gleitet durch den größten Sumpf des amerikanischen Ostens, den „Okefenokee Swamp“. Am südöstlichsten Zipfel von Georgia gelegen, erstreckt sich das älteste und ökologisch gesündeste Süßwassergebiet der USA über eine Fläche von 32 Kilometer Breite auf 64 Kilometer Länge. Alabama und Florida sind nicht weit.

Die wenigsten Europäer kennen diese Sumpflandschaft, und die meisten Einheimischen meiden sie. In den Sümpfen, fernab von Städten und Dörfern, taucht man in eine andere Welt ein, in eine einsame, für Europäer ungewohnte Natur. Von drei Seiten ist der „Okefenokee“ zugänglich: von Norden über Waycross, von Osten über Flokston und von Westen über Fargo. Wir wählten den westlichen Eingang, da er am weitesten in den subtropischen Sumpf hineinführt.

Eine schmale Straße bringt uns zum Stephen C. Foster State Park. Der Staat Georgia wacht hier über das Tun und Treiben: Im Informationszentrum werden Neuankömmlinge über richtiges Verhalten belehrt. Die Ranger bieten Bootstouren an, verleihen aber auch Kanus und Motorboote. Landkarten werden kostenlos verteilt, Bücher über Flora und Fauna verkauft. Wir stellten unser Zelt auf dem Campingplatz im Wald auf. Gleich am nächsten Morgen sitzen wir in Schwimmwesten gepackt in einem Kanu und schippern über den Suwannee River.

Zwei Flüsse entspringen im „Okefenokee“, mit der Folge, daß das Wasser nicht wie in den meisten Sümpfen steht, sondern ständig in Bewegung bleibt. Der Suwannee River fließt nach Süden in den Golf von Mexiko, der St. Marys River mündet in den Atlantik und bildet

Wir zucken zusammen. Knapp vor unserem Boot schießt tatsächlich ein Alligator ins Wasser, genauso erschrocken wie wir.

Über 10.000 dieser Reptilien leben hier. Sie sind etwas kleiner als ihre Verwandten in Florida. Das hänge mit der Wassersorte zusammen, erklärt uns später ein Parkranger. Während die Tiere in Florida von Salzwasser umgeben sind, nehmen sie im „Okefenokee Swamp“ mit „black water“ vorlieb – pechschwarzes Süßwasser, eingefärbt von der moorigen Erde.

Nicht allzu oft bekommen wir die Alligatoren zu Gesicht. Dafür hören wir ihr anhaltendes Grunzen. Glück haben wir mit Vögeln: Silberreiher und Störche stehen am Uferrand, Fischadler und Geier kreisen am Himmel. Um Schwarzbären zu sehen, müßten wir an Land gehen oder eine lange Kanuwanderung unternehmen.

Menschen bewohnten das Gebiet recht spärlich. Die Ureinwohner wurden vertrieben und ausgerottet, als sich weiße Siedler 1918 entschlossen, den Sumpf für die Holzwirtschaft – der hohen Zypressen wegen – nutzbar zu machen.

An Indianer erinnert nur noch das Wort „Okefenokee“. Sie gaben dem Gewässer den Namen: „Land der schwankenden Erde“.

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