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Bremen hat Alternativen!

■ Die City – alte und neue Mitte von Stadt und Region: Wer die City als Zentrum der Stadt erhalten will, muß sie verändern Von Robert Bücking, Ortsamtsleiter Mitte

Hinter dem Versuch, den „Space Park Einzelhandel“ zu verhindern, steht keinesfalls die Absicht, die großen konservativen Handelskapitalisten vor der anfeuernden Wirkung des Wettbewerbs zu schützen. Das ist Quatsch. Die City wird sich verändern, mit und ohne Space Park. Es vollzieht sich vor unseren Augen ein dramatischer Strukturwandel im Einzelhandel und in den klassischen Dienstleistungen. Dieser Strukturwandel vollzieht sich in Bremen nicht in der Innenstadt, sondern auf Kosten der Innenstadt. In der Bremer Innenstadt bluten diese klassischen ökonomischen Funktionen seit Jahren aus. Schlimmer noch, die modernen Handels- und Dienstleistungsökonomien werden mit staatlicher Hilfe (und subventionierter Grundstückspreise) systematisch an den Stadtrand gelockt. Das gleiche gilt für die Unterhaltungsindustrie. Der Space Park ist dafür nur ein Beispiel.

Bedeutungsverlust des City-Handels

Die Daten zum Einzelhandel der Innenstadt aus dem neusten Gutachten des unseligen Herrn Lademann belegen: In den 5 Jahren seit der letzten Erhebung ist der Einzelhandelsfläche in der Innenstadt um keinen Quadratmeter gewachsen. Den neu gewonnenen Flächen stehen Verluste in gleicher Größenordnung gegenüber. Der Anteil des City Einzelhandels an der Gesamtfläche des Handels in der Stadt ist mittlerweile auf dramatische 18 Prozent abgesackt. Diese Größenordnung liegt weit unter dem Anteil der unter Experten als stabile mindest Größe angenommen wird. (30 Prozent) Die neuen, erfolgreichen Handelsformen versammeln sich außerhalb der Innenstadt und der gewachsenen Nebenzentren.

Trost-Pflästerchen

Vor diesem Hintergrund ist das Kompensationsprogramm zur Milderung der Schäden durch den Space Park nichts als das Trost-Pflästerchen für Mehrheiten in der Handelskammer. Es ist Ausdruck der Tatsache, daß die Wirtschaftspolitik mit der Innenstadt keinerlei strategische Erwartungen mehr verbindet. Die Innenstadt wird mit einer Vielzahl von sinnigen und unsinnigen Maßnahmen beglückt aber am grundlegenden Problem der Innenstadt wird nicht gearbeitet.

Die Schwächen und die Ursachen der Schwächen der Innenstadt sind kaum noch zu trennen. Der Einzelhandel wächst nicht, weil er schon zu klein ist. Weil er nicht wächst, lahmt auch das Tempo der Innovation. Der Einzelhandel in der City hat den Anschluß an die modernen Betriebsformen verloren. (Shopping Center, Malls). Der Einzelhandel ist räumlich schlecht integriert, es klaffen Lücken. Die neu geschaffenen I-b-Lagen laufen nicht voll. Die Pioniere verhungern in den verstreuten Lagen. Die städtebaulichen Attraktionen liegen als Inseln außerhalb der Publikumsströme der Einkaufsbesucher. Marktplatz, Schnoor, Böttcherstraße, Wall, Schlachte.

Bremens Problem: Das Stadtband

Eine sehr grundsätzliche Ursache der Schwäche der City ist ihre Position im Stadtkörper. Die City ist in alle Himmelsrichtungen nur schlecht in die umgebenden Viertel integriert. Anders ausgedrückt, sie liegt hinter großen Flächen mäßiger städtischer Aktivität in einem 40 Kilometer langen Stadtband. Im Einzelnen, der Reihenfolge nach und im Uhrzeiger Sinn: Im Südosten reicht der Grünkeil zwischen Werder See und Osterdeich mit Sport- und Parzellen-Nutzungen bis an die Kaisen-Brücke. Die Neustadt im Süden liegt hinter dem Fluß. Die Brücken sind überlastet oder als Durchgangsstraßen konzipiert. Der Nordwestknoten und die Hafenbrachen haben ein großes Aktivitätsloch zwischen die Innenstadt und das ohnehin schmale Band von Walle und Gröpelingen gerissen. Der brach gefallene Güterbahnhof, die Bürgerweide und der Bürgerpark im Norden sind de facto ein ganzes Segment weder bewohnter noch wirtschaftlich genutzter Flächen vom City-Rand bis zum Stadtrand. Nur im Nordosten und Osten hat die City direkten Anschluß an die ausgedehnten Wohn- und Arbeitsquartiere der Stadt. Welche Wirkung aber ein dicht besiedelter urbaner Stadtteil direkt am alten Stadtkern haben kann, läßt sich am Viertel studieren. Zum Teil lassen sich diese Löcher schließen ( nicht nur mit Einzelhandel), zum Teil sind sie für die Stadt konstitutiv. (Bürgerpark, Stadtwerder)

Entweder – oder

Wir stehen vor einer auf lange Zeit irreversiblen Weichenstellung der Stadtentwicklung. Die Bremer Politik muß sich endlich mit allen Konsequenzen für die Entwicklung der Innenstadt als Zentrum von Stadt und Region entscheiden. Man kann nicht beides haben, eine vitale Innenstadt und die Retorte einer Innenstadt sechs Kilometer weiter westlich, betrieben von Herrn Köllmann. Wir vermuten, daß dies einigen Weitsichtigen ebenfalls dämmert, und dass sie tatsächlich die City als Zentrum von Stadt und Region längst aufgegeben haben. Wie sonst wäre der ständige Verweis auf das Vorbild der schönen Stadt Oberhausen und ihre neue Mitte das „CentrO“ zu erklären?

Hoffnung und Glauben

Noch ein Nachtrag zur neusten Variante der Begründungslyrik für den Einzelhandel im Space Park : Lademann konstruiert in seinem neusten Gutachten ein Einkaufszentrum der besonderen Art. Seine erstaunliche Eigenschaft: Es hat einen doppelt so großen Einzugsbereich wie die City, aber am Marktvolumen jeweils nur einen unbedeutenden Anteil. Die versprochene Folge: Bremen gewinnt, ohne das die City leiden muß. An diese Quadratur des Zirkels glaube wer da mag. Sie ist durch nichts als Hoffnung und Glauben garantiert. Wir erinnern an den Weserpark. Wie sich dieses Einzelhandelszentrum tatsächlich ausbildet, steuert allein der Markt und die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse des Immobilien- und Handelskapitals. Das wird in Gröpelingen nicht anders sein. Unsere Wette: Wenn der Einzelhandel auf dem AG Weser Gelände funktioniert, wird er sich auf 70-90.000 Quadratmeter ausdehnen. Die Politik hat längst jeden Versuch aufgegeben, die Sache noch ernsthaft zu steuern.

Hat Bremen eine Alternative?

Lassen sich die Schwächen der Innenstadt überwinden? So das die Innenstadt Schauplatz und Motor des Strukturwandels wird? Wir sind davon überzeugt. Die City kann wieder das Zentrum von Stadt und Region werden. Aber das setzt eine strategische Entscheidung voraus. Für dieses Ziel bräuchte es eine Konzentration von Ressourcen und Planungskapazitäten für einen langen Zeitraum. Und man müßte auf so manches Projekt verzichten, daß diesen Prozeß gefährden könnte. Andere Städte machen es uns vor. (München, Stuttgart, Leipzig, Dresden) Wir brauchen auch hier Projekte, die mit ihrer kritische Masse, die Kapital und Kundenströme in einer ganzen Region neu verteilen können. Allerdings, billiger als der Space Park wird das nicht.

Für einen kurzen Zeitpunkt waren die Ansatzpunkte für eine Alternative zu erkennen. Landesbank Telekom und ECE haben darüber verhandelt das Gebäude der Wertpapierbörse an der Obernstraße und das alte Fernmeldeamt in der Langenstraße als einem gemeinsamen Einzelhandelskomplex zu entwickeln. Die Verhandlungen wurden abgebrochen. Peek&Cloppenburg prüft seid Jahren die Idee seine Geschäftsfläche zu verdreifachen und das Gebäude von der Obernstraße bis zur Martinistraße durchzubauen. Statt die strategischen Möglichkeiten dieser Entwicklung mit aller Energie aufzugreifen, wird eine Chance nach der anderen vertan und der zentrale Baustein einer Politik zur Erneuerung des Handels in der City blockiert. Man stelle sich vor, die Sache mit dem Space Park wird noch in einer gemeinsamen Aktion von Wähler und Karel van Miert gekippt. Die Stadt nimmt ein paar hundert Millionen aus dem Space Topf gründet mit der Bremer Landesbank eine Entwicklungsgesellschaft holt noch die Fachleute von der ECE dazu und ... Die Blocks zwischen Obernstraße und Langenstraße/Martinistraße/Balgebrückstraße werden aus ihrem dornrößchen Schlaf aufgeschreckt. Wertpapierbörse und Telekomm Gebäude bilden den Anfang. Eine Verbindung zur Martinistraße wäre geschaffen. Der alte Stadt-Grundriss erlaubt die Entwicklung von Passagen und Malls mit einer Stafette von Innenhöfen. Es entstehen großzügigen Flächen für Ankermieter und vielen hoch spannenden Arrangements für die ganze Reihe der kleinen und mittleren Einzelhändler und Dienstleister. Die Hütte des Senators für Häfen folgt. Die Böttcherstraße wird mit der Sparkasse zusammen überarbeitet. Das Parlarments-Gebäude mit dem Börsenhof A fügt sich an und dann, als Krönung, die Baumwollbörse. Nebenbei wird die Planung der Martinistraße ein letztes Mal korrigiert, so das die Besucher der Innenstadt von der Böttcherstraße vernünftig und ebenerdig zur Schlachte rüber kommen. Wenn für jeden Besucher der Innenstadt der Abstecher an die Weser zum selbstverständlichen Bestandteil seines Einkaufsbummels geworden ist, muß auch die Behörde des Wirtschaftssenators umziehen und auch das alte Schünemann-Gebäude wird Teil der neuen Entwicklung. Auf diese Weise gelänge endlich die Verknüpfung der Haupteinkaufslagen an Oberstraße/Sögestraße mit den touristischen Attraktionen der Schlachte, der Böttcherstraße und des Schnoor. Hier ließen sich summa sumarum 40.000 bis 50.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche schaffen.

In den oberen Etagen wäre Raum für moderne Büros. Das wäre Arbeit an der Überwindung der Hauptschwächen der City. Auch hier würde der Tendenz zur Verbindung von Einkauf und Freizeit und Tourismus Rechnung getragen. Wenn dieses Projekt mit der gleichen Kühnheit und Entschlossenheit wie der Space Park angepackt werden würde, könnte man das Steuer herum reißen und ein Zeichen setzen. Überflüssig zu erwähnen, dass man sich für solche Projekte von der Einzelhandelspolitik der letzten Jahre verabschieden muß. Verzicht auf neue Großflächen an nicht integrierten Standorten. Konzentration des qualitativen und quantitativen Einzelhandelswachstums auf die Innenstadt und die Integrierten Zentren.

Was die können, können wir schon lange

Ach, und weil es gerade in der Zeitung stand. Die Stadtwerke wollen sich aus dem Gelände des Wasserwerks zurückziehen. So etwas dürfte sich eine strategische Politik für die Innenstadt natürlich nicht entgehen lassen. Dieser einzigartige Ort muß mit den Attraktionen der Altstadt verbunden werden. Deshalb schlagen wir vor eine Kabinen-Seilbahn von der Altmannshöhe rüber zur umgedrehten Kommode zu bauen. Auf dem ehemaligen Wasserwerksgelände wird ein Themenpark Wasserkunst errichtet. Es gibt einen Wasserspielplatz, auf dem die lieben Kleinen endlich wieder Bäche stauen und Wasserburgen bauen können.

Das Ufer ist mit anmutigen Windspielen führender Japanischer Künstler bestückt. Natürlich findet sich hier auch Norddeutschlands schönster Stellplatz für Zirkuszelte. In der umgedrehten Kommode selbst gibt es neben erlesener Gastronomie und einigen Konferenz- und Veranstaltungssälen auch einen Raum der ganz dem Thema Stadt am Fluß gewidmet ist. Ein feine Mischung aus Tivoli und Themenpark. Der Grafiker aus dem Hause Köllmann könnte einen Honorar-Job bekommen und Köllmann selbst dürfte jeden zweiten Mittwoch im Monat mit der Seilbahn umsonst fahren ...

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