: Autonome Flüchtlingsgruppe besetzt Grünen-Büro
■ Kritik an grüner Haltung zu Abschiebeverfahren. Grüne weisen die Vorwürfe zurück
„Ihr Büro ist besetzt. Holen Sie sich einen Kaffee, entspannen Sie sich. Dies ist eine Protestaktion, die sich kritisch mit den Grünen auseinandersetzt.“ Höflichere Autonome als die Anhänger der Kampagne „Kein Mensch ist illegal“, die gestern kurzzeitig die Landesgeschäftsstelle der Grünen in der Oranienstraße besetzten, hat man selten gesehen. „Na ja, dann macht mal“, antworteten die Mitarbeiter der Grünen nahezu ebenso freundlich.
Dennoch fand die Aktion ein schnelles Ende. Ein 50jähriger Mitarbeiter der Geschäftsstelle erlitt einen Herzstillstand. Wie die Grünen am Nachmittag mitteilten, liegt er auf der Intensivstation und ist außer Lebensgefahr. Einen Zusammenhang mit der Besetzung schloß der grüne Schatzmeister Werner Hirschmüller aus. „Die Besetzer haben sich vorbildlich verhalten und sofort versucht, meinen Kollegen zu reanimieren.“ Noch vor dem Eintreffen des Krankenwagens wurde die Besetzung für beendet erklärt. Mit der Aktion, zu der eigentlich per Fax über 100 Pressevertreter und Grünen-Funktionäre zur Diskussion eingeladen werden sollten, wollten die Besetzer die Asylpolitik der rot-grünen Bundesregierung kritisieren. „Die Grünen betrachten das Bleiberecht als ein weltweites, überstaatliches Menschenrecht“, zitierten sie in ihrer Presseerklärung eine Resolution der grünen Bundesversammlung von 1989. Heute seien die Grünen als Regierungspartei Teil der Exekutive, die das Ausländergesetz umsetze und Abschiebungen ausführe. Besonders kritisiert wurde der rechtspolitische Sprecher der Grünen in Berlin, Norbert Schellberg. Dieser, so sagte ein Sprecher der Initiative der taz, habe die Häftlinge im Abschiebegewahrsam Grünau während des Hungerstreiks im Oktober „dem Innensenator ausgeliefert“ und „die typische Funktion des Befrieders“ eingenommen.
Schellberg selbst hält die Vorwürfe für „an den Haaren herbeigezogen“. Die Besetzer würden offenbar die Bedeutung der grünen Partei auf Bundesebene überschätzen. Es sei ein Erfolg, daß der Hungerstreik in Grünau beendet wurde, nachdem die Polizei die Einrichtung eines Runden Tisches zusagte. „Wer rechtmäßig abgeschoben werden kann, muß schnell abgeschoben werden.“ Die langen Haftzeiten seien allerdings „eine Sauerei“. Schellberg plädierte für eine „personelle Aufstockung der Ausländerbehörde“, um Bearbeitungszeiten zu verkürzen. „Es ist nun mal so, daß bestimmte Tatsachenbestände zur Abschiebung führen. Das kritisieren wir nicht.“ Andreas Spannbauer
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