: Hunderttagefragen
■ Warum muß Michael Naumann auf seine Laptops warten?
Michael Naumann war wie berauscht: Er, der erste Kulturminister in der bisher so biederen Republik! Die Ernüchterung kam schnell: „Im Kanzleramt gibt es nur zwei Laptops, und die sind fünf Jahre alt“, stellte der Schöngeist fassungslos fest.
Stimmt, bestätigt Theo Grewenig, Leiter des Referats 114/Informationstechnik. Ganze zwei Laptops können sich die knapp 400 Bürobediensteten und Ministerialen imagefördernd auf die Oberschenkel legen, wenn sie für Deutschland in Flugzeugen, Konferenzen oder Hotelhallen sitzen.
Es kommt noch schlimmer. Zwar kann jeder im Amt das High-Tech-Handgepäck anfordern, aber „Priorität haben der Kanzler und seine Leute“. Und Laptop-Neuanschaffungen sind zur Zeit nicht geplant. Eine halbe Million Mark im Jahr darf Grewenig ausgeben, um Computer und Drucker zu kaufen und zu warten. Das Geld für dieses Jahr ist fast verbraten, und vor dem Berlin-Umzug soll nicht mehr soviel in die Informationstechnik investiert werden. Auch nicht in so umzugskompatible Geräte wie Laptops. 10.000 Mark kostet das Stück, schließlich muß es stoßsicher sein, darf die Funkfrequenzen im Flugverkehr nicht stören und muß weltweit ersetzbare Einzelteile haben.
Warum muß Michael Naumann auf seine Laptops warten?
Teuer und unpraktisch – das ist Grewenigs persönliche Meinung: „Diese Minitastatur, diese komplizierte Maus, und dann der kleine Bildschirm – das ist doch nicht das Wahre.“ Aber Grewenig kann sich in den Kulturminister reindenken: „Wenn der Herr Naumann in so einem Kulturkränzchen sitzt, dann möchte er seine Vermerke vielleicht gerne direkt eingeben.“ Naumann brauche ein solches Anliegen nur zu äußern – sein Referat werde das schon irgendwie arrangieren, versichert Grewenig beflissen. Stille Reserven gebe es immer noch irgendwo.
Und wenn wirklich alle Kassen und Akkus leer sind, dann gibt es im Kanzleramt auch noch einige Relikte aus Alt-Altkanzlerzeit. „Hier und da stehen noch ein paar Schreibmaschinen rum“, weiß Grewenig nach längerem Überlegen. Fünf oder sechs Triumph Adler oder IBM mit Kugelkopf. Die sind zwar nicht so schick wie Laptops. Aber Kult. Kerstin Willers
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen