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Softwarefehler beim Herminator

Österreichs Ski-Idol Hermann Maier widerfährt schier Unglaubliches im Riesenslalom: Ein kleiner Ausrutscher stört das Bild der Perfektion und kostet den Sieg  ■ Aus Park City Thomas Hahn

Die Sonne stand hoch am blauen Himmel über dem US- Bundesstaat Utah, der Pulverschnee glitzerte auf der gepflegten Riesenslalompiste, und auch sonst gab es keine Anzeichen, daß die zweite Fahrt des österreichischen Skiheros Hermann Maier beim Weltcup-Rennen von Park City eine schlechte werden würde. Siegesgewiß schoß er aus dem Starthaus, nachdem er im ersten Durchgang wie gewohnt als Schnellster ins Ziel gezischt war, duckte sich tief in die Abfahrtshocke, glitt entspannt durch die ersten Tore im Flachstück und bog in den Steilhang. Und dann war er ganz kurz nicht konzentriert genug, blieb zu lange auf der Kante seines Innenskis, konnte die Kurve nicht zu Ende fahren und sauste aus dem Parcours. Ende einer Dienstfahrt. Im Ziel raunte die Menge, und Stefan Eberharter freute sich herzlich, weil er durch das Mißgeschick des Landsmannes auf Platz eins bleiben durfte vor Christian Mayer (Österreich) und Marco Büchel (Liechtenstein).

Nun ist es einer der gewöhnlichsten Fehler im Skisport, in einem Moment der Unkonzentriertheit die Bretter falsch zu belasten. Ärgerlich ist das, passiert aber eben manchmal. Maier ist nicht der erste namhafte Profi, der auf diese Art aus der Balance geraten ist, und besonders übel hat ihm den Ausrutscher auch keiner genommen bei so viel, wie Hermann Maier in den vergangenen eineinhalb Jahren gewonnen hat. Doch er selbst war untröstlich und türmte zornig, als sich ihm Kameraleute und Fotografen in den Weg stellten. So ein Patzer ist ihm noch nie unterlaufen im Weltcup und paßt überhaupt nicht zum Selbstverständnis als unfehlbarer Volksheld.

Zum Inbegriff des modernen Skiathleten ist er aufgestiegen im vergangenen Jahr, als er mit seinem kraftvollen Stil zehn Weltcup- Siege holte, den Gesamtweltcup gewann und die Spezialwertungen Super-G und Riesenslalom. Er war der Frontmann eines neuen Teams, das der österreichische Skiverband mit viel Geld und Fachverstand formiert hat und das seither die Welt der Skifahrerei beherrscht. Fachleute und Fans bewundern Maier wegen seiner Fahrweise, die an Tempo und Draufgängertum alles übertrifft, was sich bisher auf Skiern versuchte. Es wirkt irgendwie übernatürlich, wie rund und ohne Tadel er zu Tale braust. Den „Herminator“ haben sie ihn deshalb genannt, als wäre er das Idealprodukt österreichischer Retortenwissenschaft, zusammengeschweißt aus allen Tugenden, die ein Skifahrer braucht – Mut, technisches Geschick, viel, viel Kraft – und programmiert auf Fehlerlosigkeit.

Natürlich hat er auch ein paarmal verloren, ist mal Zweiter, Dritter, Vierter, einmal sogar Neunter geworden. Aber das war zu verschmerzen – auch ein Herminator wird eben manchmal angeschossen. Bei Olympia 1998 in Nagano ist er im Abfahrtslauf ein bißchen übersteuert gewesen, nach ein paar Sekunden quer in der Luft gelegen und hart aufgeschlagen. Aber da hat sich der unverwüstliche Herminator halt kurz geschüttelt und ist danach Olympiasieger geworden in Super-G und Riesenslalom. Und selbst für Rückschläge außerhalb der Piste gab es schnelle Lösungen. Des Dopings wurde der Herminator verdächtigt, weil er binnen eines Sommers auf seinen mächtigen Körper noch einmal zweieinhalb Kilo Muskelmasse draufgesattelt hatte. Na und? Hat er halt dementiert und darauf ver- wiesen, daß es keine Beweise gebe.

Aber ausrutschen? Ganz banal ausrutschen, wie es jedem normalen Menschen mal passiert? Das wirkt wie ein Fehler in der Software des Ski-Robocops Hermann Herminator Maier. Das ist eigentlich unmöglich, zumal er im ersten Durchgang noch fehlerfrei funktionierte, ebenso wie vor drei Wochen bei seinem Riesenslalom- Sieg zum Saisonstart in Sölden. Maier konnte einfach nicht verstehen, was geschehen war.

Die Experten im Österreichischen Skiverband werden ihren Herminator schon wieder hinkriegen. Wahrscheinlich werden sie ihn nur kurz aufschrauben müssen, ein paar Kabel umlegen, und dann ist wieder alles in Ordnung. Vielleicht hatten sie den Fehler sogar geplant, weil sie nicht wollen, daß ihr Athlet zu überzeugt ist von der eigenen Unfehlbarkeit. Zu viele Siege sind ungesund, lehrt nämlich der weise österreichische Fernseh- Reporter Robert Seeger: „Man kann sich auch zu Tode siegen.“ Und das wäre wirklich furchtbar.

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