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Zürcher Leichen bitten zum Ball

Während die deutschen Klubs zusehen, geht Zürich heute mit Grasshoppers und FC das Achtelfinale des Uefa-Cups an. Zufall oder Fußballboom?  ■ Von Ralf Mittmann

Heute ist Dienstag. Mal wieder Uefa-Cup-Zeit – nur nicht für die Bundesliga. Wie zur Strafe müssen die ausgeschiedenen Schalker und Bremen heute ihr unlängst ausgefallenes Ligaspiel nachholen, in Leverkusen und speziell in Stuttgart können sie für eine bessere Zuknuft trainieren. Uefa-Cup? Die Schweiz ist besser als Deutschland, oder, nein: Zürich alleine. Während die Bundesliga-Absenz hübsch korrespondiert mit den zuletzt vom DFB-Team dargebotenen Leistungen, befinden sich, hopp Schwiiz, die Zürcher Grasshoppers und der FC Zürich auf europäischem Höhenflug – obwohl die Nationalmannschaft („Nati“) darniederliegt.

Zufall? Glück? Eintagsfliegen? Es stimmt ja, daß die Hoppers nur ins Achtelfinale kamen, weil der AC Florenz wegen des Bombenwurfes eines Idioten beim Rückspiel disqualifiziert wurde. Und es mag auch zutreffend sein, daß der FCZ mit Celtic nur den zweitbesten Glasgower Klub eliminierte. Erstaunlich aber sind die doppelten Zürcher unter den letzten 16 des Uefa-Cups schon alleine deshalb, weil der Schweizer Fußball im eigenen Lande kaum etwas gilt.

Das Nachrichtenmagazin Facts hatte noch Ende Oktober in einer Generalabrechnung befunden: „Kritik am Schweizer Fußball ähnelt der Leichenschändung.“ Gnadenlos wurden die Nationalliga- A-Klubs zur Schnecke gemacht, auch die Zürcher. Gerade die, weil in der vitalen Stadt an der Limmat auch in Sachen Fußball Platz wäre für eine „europäische Vision“. Sinnvoll sei eine Fusion, doch den Weg der Vernunft wolle niemand beschreiten. „Nie und nimmer. Lieber Nationalliga B als das“, wollte Autor Grieder die Stimmung ausgemacht haben.

Ganz richtig ist das nicht. Für die Grasshoppers hat erst kürzlich wieder Manager Erich Vogel in einem Fernseh-Interview mit Tele 24 ein Ja zu einer Fusion aus „wirtschaftlichen Interessen“ bekundet. Doch gerade deshalb käme nicht nur den FCZ-Anhängern ein Zusammenschluß wie eine feindliche Übernahme vor. Schließlich stehen die Multimillionäre in der GC- Führung im Ruf, die eigenen Interessen kaltblütig zu verfolgen.

So ist es nun mal, mehr noch als in München mit den Löwen und dem FC Bayern: der FC Zürich ist der Arbeiterverein, die Hoppers sind der Bonzenklub. Als am 7. November der FCZ zum ersten Mal seit 1984 wieder ein Stadtderby auf dem Letzigrund gewann (2:1), beschäftigte sich der Tagesanzeiger auf Seite 2 mit dem Zürcher Fußball. Autor Thomas Kramer bezeichnete die Grasshoppers als „Verein der Mehrbesseren, des kühlen Nutzendenkens, der ballgewordenen Shareholder value“. Dagegen verkörpere der FC Zürich „die letzte Heimstatt des Sozialismus“ und „die letzte Bastion der Zürcher Büezer-Kultur“. Damit gemeint sind Rentner, die in der Stadionbeiz Karten spielen und beim Training kiebitzen.

Anders ausgedrückt: Hier die nach teurem Parfüm duftende Scheinwelt fränklischwerer Krawattenträger, dort die nach Schweiß riechende heile Welt der lohnempfangenden Klasse. So definieren sich die Zürcher Fußballanhänger durch leidenschaftliche Abgrenzung, die GCler, weil sie sich für besser halten, die FCZler, weil sie sich für einzig halten.

Daß die Fusionsbremser eher beim FC Zürich sitzen, ist kein Wunder. Zum einen gehört dessen – ebenfalls reicher! – Präsident Sven Hotz zu den glühendsten Bewahrern der guten alten Tradition, zum anderen blüht der Klub gerade sportlich auf, daß man sich auch die Frage stellt: Warum fusionieren, wenn wir auf dem Weg zur Nummer eins in Zürich sind? Die Euphorie nach dem Triumph gegen Celtic Glasgow und im Derby gegen GC hat Erinnerungen wachgerüttelt an die glorreichen Zeiten in den 60er und 70er Jahren. Unter dem verstorbenen Präsidenten Edi Nägeli, im Volksmund „Stumpen- Edi“ genannt, gewann der FC Zürich damals siebenmal den Meistertitel und fünfmal den Pokal.

Künzli, Kuhn, Martinelli und Botteron hießen die Stars und waren allesamt Schweizer. Heute ist der FC Zürich eine multikulturelle Gemeinschaft mit Fußballern aus Burundi, Nigeria, Südafrika, der Elfenbeinküste, Trinidad & Tobago, Brasilien, Italien und Jugoslawien. Ach ja, mit Hodel, Chassot und Di Jorio hat man seit längerer Zeit auch wieder einmal drei Schweizer Nationalspieler.

Mit all denen wird Trainer Raimondo Ponte heute versuchen, beim AS Rom ein respektables Ergebnis zu erzielen, auf daß der Letzigrund beim Rückspiel auch sicher ausverkauft sein wird. Grasshoppers-Fans werden dann nicht kommen, die sind dafür heute schon da. Weil auf dem Hardturm der Rasen erneuert werden muß, spielt GC nämlich bis auf weiteres im Letzigrund – und so auch heute gegen Girondins Bordeaux.

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