: Brustimplantate: Versuchskaninchen Frau
■ Kritiker von Silikonimplantaten behaupten: „Es geht nur ums Geld.“ Unschädlichkeitsnachweis sei bis heute noch nicht erbracht
Um das Brustimplantat aus Silikon tobt Krieg. Hüben Hersteller und Ärzte, die die Kunststoffteile für den Brustaufbau empfehlen – ob nach einer Brustkrebsoperation oder zu Verschönerungszwecken. Drüben ebenfalls Ärzte – und Opfer. Der schwerste Vorwurf der KritikerInnen: Frauen würden zu Versuchskaninchen gemacht. Wie er selbst zur Ansicht kam, „hier geht es nur ums Geld“, das begründete der Rotenburger Kliniker Dr. H. Rudolph, zu Anfang der 90er Jahre auch in die Kommission „Silikonimplantate“ des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes berufen, die vor Negativfolgen durch Silikon warnte, am Montag abend im Gästehaus der Bremer Universität in Wort und Bild.
Den rund 100 ZuhörerInnen, darunter RechtsanwältInnen, ImplantatträgerInnen, VertreterInnen der Krankenkassen und ÄrztInnen, wurde dabei wenig erspart. Quadratmetergroß erschienen blutige Dias auf der Projektionsleinwand: Gallertartige Klarsichtmasse, rund, mit Blut und Bindegewebe umgeben. „Häufigste Komplikation ist die Kapselfibrose, die schmerzhafte Verhärtung der Bindegewebskapsel, die sich immer um den Fremdkörper bildet.“ Doch die Chirurgie könne – mangels einer übergeordneten Meldestelle ist ungeklärt, wie oft – noch schlimmere Folgen haben: Die Kunststoffkissen reißen. Silikon und Füllung laufen in die Brust. Die Folgeschäden eines solchen Risses – neben wiederholter Operation – sind noch immer strittig. „Wir sehen manchmal Silikonkristalle, die sich über den ganzen Brustmuskel und die Brust bis unter die Achseln verteilen“, so Rudolph. Doch zahlreiche weniger sichtbare Beschwerden, vom Hautkribbeln bis zu Lähmungserscheinungen, für die Implantatträgerinnen das Silikon verantwortlich machen, seien schwer auf das Silikon zurückzuführen. Insbesondere Ausfälle im Nervensystem und rheumaähnliche Anfälle seien nicht belegt. Der Grund: „Es werden keine Antikörper gefunden.“ Doch es müsse eigentlich andersherum funktionieren, mahnt der Mediziner. „Nicht die Frauen müssen die Schädlichkeit der Implantate, sondern die Hersteller deren Unschädlichkeit nachweisen.“ Damit jedoch sei es nicht weit her. Klar sei bislang nur: „Silikon erzeugt keinen Krebs.“
Auch für die neueren Implantate gibt es nach Rudolphs Ansicht keinen Unschädlichkeitsbeweis. „Nach wissenschaftlichen Kriterien müßte dies mindestens zehn Jahre in ausreichend großer Zahl untersucht werden.“ Fragen aus dem Publikum – ob etwa gegen die neuen Füllungen mit Kochsalzlösung oder Sojaöl etwas einzuwenden sei, beantwortete er schlicht: „Jede Hausfrau weiß, daß Sojaöl ranzig wird.“ Kochsalz dagegen verschwinde offenbar aus der Silikonhülle – doppelwandig hin oder her. „Und was soll das dann? Es geht doch ums gute Aussehen. Das ist damit nicht gesichert.“
Auch Dr. Bettina Pfleiderer, die an der Uni Münster Rückstände von Silikon in der Leber untersucht, hat bereits Rückstände von neueren Silikonimplantaten in der Leber gemessen. Wie sehr die Forscherin, deren Experimente die Deutsche Forschungsgesellschaft finanziert, von wegen solcher Ergebnisse angegriffen wird – und wie wenig dieses Gebiet erforscht ist – wird deutlich, wenn sie betont: „Nur bei Implantatträgerinnen konnten wir auch Silikon nachweisen.“ Der Silikonnachweis aus Hautcremes etwa sei mit ihrer Methode nicht zu führen. ede
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