: Wahlen mit Schönheitsfehlern
In der Zentralafrikanischen Republik lief der erste Durchgang der UN-überwachten Parlamentswahlen nach UN-Ansicht gut ab, förderte aber technische Probleme zutage. Die Partei des Präsidenten liegt vorn ■ Aus Bangui Dominic Johnson
Emile Gros Raymond Nakombo ist ein gemachter Mann. Der Kandidat der früheren Staatspartei RDC (Demokratische Zentralafrikanische Sammlung) in der Stadt Berberati im Westen der Zentralafrikanischen Republik, zugleich Direktor der Tabakexportfirma Cetac, präsentiert sich seinen Wählern als Einheit von ökonomischer und politischer Macht: Seine Wahlparole lautet „Ihr Wirtschaftspartner“, seine Anhänger loben ihn als Erbauer von Schulen und Krankenhäusern. Seine Wahlplakate sind die einzigen im ganzen Ort, und zwei Tage vor den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag zog er mit einem gigantischen Lastwagenkonvoi durch die Straßen der Kleinstadt. Aber „Emil der Dicke“ hat nach Angaben seiner Partei seinen Wahlkreis voraussichtlich nicht mit absoluter Mehrheit gewonnen. Am 13. Dezember muß er wohl in die Stichwahl.
Nakombos Zitterpartie ist ein gutes Beispiel für die Situation, die in der Zentralafrikanischen Republik nach dem ersten Durchgang der Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag herrscht. Erste Zwischenergebnisse geben der Befreiungsbewegung des Zentralafrikanischen Volkes (MLPC), Partei des Staatschefs Ange-Félix Patassé, sowie der RDC des früheren Diktators André Kolingba zwar Vorteile in ihren jeweiligen Hochburgen. Die MLPC rechnet mit über 30 der 109 Sitze bereits im ersten Wahlgang, die RDC mit etwa 15. Aber voraussichtlich müssen in über der Hälfte der 109 Wahlkreise Stichwahlen stattfinden.
Das spricht für die demokratische Reife der Wähler und garantiert zunächst politische Ruhe, weil keine Partei bereits als Sieger auftrumpfen kann. Daß der Frieden in der Zentralafrikanischen Republik vorerst gewahrt bleibt, ist denn auch das wichtigste Ergebnis dieser Wahlrunde. Die UNO, deren 1.620 Mann starke Blauhelmtruppe die Wahlen sichert, ist daher zufrieden mit diesem ersten Schritt zur politischen Normalität nach zwei Jahren Armeemeutereien und bürgerkriegsähnlicher Spannungen.
Die Wahl sei „ruhig und ordentlich“ verlaufen, sagte der UN-Sonderbeauftragte Oluyemi Adeniji auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Bangui am Montag abend. „Manchmal wurden die Wahlprozeduren ignoriert, was zu einigen Verspätungen und einigen Schwächen im Ablauf der Wahl führte. Aber trotz der Unvollkommenheiten hat die Wahlkommission ihre Verantwortung voll wahrgenommen. Nichts berechtigt derzeit die Behauptung, daß dieser Wahlprozeß nicht befriedigend verlaufen sei.“
Das Lob der UNO, für die die zentralafrikanischen Parlamentswahlen ein Barometer ihrer Kapazitäten zur Konfliktlösung in Afrika darstellen, ist eine gewisse Beschönigung. In Bangui öffneten am Wahlsonntag viele Wahllokale mit stundenlanger Verspätung. Die angeblich nicht abwaschbare Tinte, mit der die Daumen der Wählenden markiert werden, war in Wahrheit leicht zu entfernen. Abends rückten die UNO-Blauhelme in einigen Teilen Banguis aus, als in den Wahllokalen die erste Auszählung vor der Weiterleitung der Wahlprotokolle an die Wahlkommission durchgeführt wurde und einzelne Spannungen auftraten. Spät in der Nacht überlegten Oppositionelle angesichts angeblicher Fälschungsversuche seitens der MLPC sogar, die Wahlen öffentlich für gescheitert zu erklären.
Die UNO schaffte es zwar, diese Spannungen wieder zu entschärfen. Aber dennoch müssen bis zu den Stichwahlen am 13. Dezember noch Probleme gelöst werden. In vielen Wahllokalen standen Leute nicht auf den Wahllisten des Wahllokals, das auf ihren Wählerkarten angegeben war. Meistens durften sie dann doch wählen, was zum Ergebnis hatte, daß in einigen Wahllokalen mehr nichteingeschriebene als eingeschriebene Wähler ihre Stimme abgaben. Dies war vor allem in einigen Hochburgen der MLPC der Fall. Da viele Wähler mehrere Wahlkarten bekommen hatten, ist es daher möglich, daß bewußt gewisse Wähler zur Abgabe ihrer überzähligen Stimme in bestimmten politisch heiklen Wahlkreisen angeleitet worden sind.
Die nichteingeschriebenen Wähler wurden beim Wählen in sogenannten Zusatzlisten notiert, die nun eigentlich vor den Stichwahlen mit den offiziellen Wahllisten abgeglichen werden müßten, um am 13. Dezember eine Wiederholung dieser Unregelmäßigkeit zu verhindern. Zu einer vollständigen Revision der Wahlliste bis dahin fehlt laut UNO jedoch die Zeit.
Die Stichwahl im Dezember und vor allem die Präsidentschaftswahl im September 1999 werden jetzt voraussichtlich zum Machtkampf zwischen MLPC und RDC. Die beiden Parteien sind in unterschiedlichen Landesteilen und auch unterschiedlichen Stadtteilen von Bangui stark. Langfristig steht damit der Frieden wieder auf dem Spiel. Der UN-Beauftragte Adeniji forderte daher, die Blauhelmmission in der Zentralafrikanischen Republik – die eigentlich Ende Februar 1999 ausläuft – bis zu den Präsidentschaftswahlen zu verlängern. Dies sei nötig „in einem Klima, wo zwischen den Parteien noch viel Mißtrauen herrscht“.
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