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Ökumene im Streit

Im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) haben sich über 330 Kirchen und kirchliche Institutionen aus 110 Ländern zusammengeschlossen. Ihre Überzeugung: Gott will keine Konkurrenz zwischen den Konfessionen, sondern „Einheit in der Vielfalt“. Diesem Ansinnen entspricht die wörtliche Übersetzung des ursprünglich griechischen Wortes Oikoumene – „die ganze bewohnte Erde“.

Protestantische Kirchen bilden die Mehrheit der 400 Millionen im ÖRK vertretenen Christen. Außerdem ist die anglikanische Kirche Mitglied. Aufgrund ihres Absolutheitsanspruches nimmt die römisch-katholische Kirche lediglich beobachtend teil.

Gegründet wurde der ÖRK von 147 Kirchen im August 1948 in Amsterdam. Immer mehr Kirchen traten dem ÖRK bei, 1961 auch die großen orthodoxen Kirchen. In ihrer Mission merkten Vertreter der unterschiedlichen Konfessionen, daß sie nur miteinander, nicht gegeneinander Erfolg haben würden.

Oberstes Beschlußorgan des ÖRK ist die Vollversammlung. Ihr gehören Delegierte sämtlicher Mitgliedskirchen an. Ein Drittel von ihnen sollen Laien sein. Die Beschlüsse des ÖRK sind nicht bindend für die Mitgliedskirchen.

Viel haben die im Ökumenischen Rat versammelten Kirchen in der Vergangenheit bewegt. Daß Christen im Norden von der Lebenssituation ihrer Glaubensgeschwister im Süden und im Osten wissen; daß sie die Zukunft der Welt im Blick haben statt den Erhalt nur der eigenen Kirche: Das sind die Früchte der Arbeit des Rates.

Grund für den aktuellen Streit ist das gesellschaftliche Engagement des ÖRK. Glaube läßt sich in seinem Selbstverständnis nicht auf den privaten Bereich beschränken. Ketzerei erweist sich nach ökumenischer Gesinnung nicht bloß in der Leugnung bestimmter Glaubenswahrheiten, sondern ebenso in der Praxis.

Daß dem ÖRK die Menschenrechte mehr wert sind als die Kircheneinheit, wurde besonders deutlich in seiner Stellung zu Südafrika: Der ÖRK unterstützte die Apartheidgegner und nahm damit den Ausschluß der „weißen“ südafrikanischen Kirchen in Kauf.

Nicht nur evangelikal-fundamentalistische Kräfte in Deutschland laufen bis heute Sturm gegen diese Verquickung von Glaube und Politik. Der ÖRK beschäftige sich zu sehr mit gesellschaftlichen statt mit geistlichen Dingen. Die orthodoxen Patriarchen wollen Themen wie Frauensolidarität und (Homo-)Sexualität aus ÖRK-Zusammenhängen verbannen.

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