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Der Siegestaumel in Bagdad ist zuende

Die jüngste Krise zwischen Irak und USA hat Bagdad gezeigt, wie isoliert es in der arabischen Welt ist. Spannungen zwischen Irak und UNSCOM dauern an. Rätselraten um Stärke der irakischen Armee  ■ Aus Bagdad Karim Al-Gawhary

„Diesmal werden wir auf gar keinen Fall nachgeben.“ Der Chefredakteur der irakischen Regierungszeitung ath-Thaura, Mahdi Sami schlug auf seinen Schreibtisch, als er Mitte letzter Woche noch einmal den offiziellen Standpunkt irakischer Standfestigkeit verkündete. Drei Tage später hatte die Führung angekündigt, doch mit den UN-Waffeninspekteuren der UNSCOM zusammenzuarbeiten.

Die Muster der Dauer-Krise Irak wurden erneut abgespult. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen jener Krise vom Februar und dem, was CNN in den letzen zwei Wochen jeweils mit der Unterzeile „Showdown in Iraq“ berichtete. Zwei Elemente hätten die Irakis diesmal überrascht, erklärt ein Diplomat in Bagdad. Die Iraker hätten nicht erwartet, daß die US-Militärmaschinerie so schnell reagieren würde. Außerdem seien die Iraker erstaunt über den Grad ihrer Isolation gewesen. Laut dem Diplomaten hätten diese zwei Faktoren die irakische Führung zum Nachgeben gezwungen. Unerwartet kam die Isolation Iraks in der arabischen Welt. Während im Februar sogar Saudi-Arabien und Kuwait einen Militärschlag öffentlich abgelehnt hatten, herrschte diesmal in der arabischen Welt fast ein Konsens, einem Militärschlag nicht zu widersprechen.

Trotz der jetzigen Kehrtwendung feierten irakische Medien das Nachgeben ihrer Führung als Sieg. Diplomaten und ausländische Journalisten in Bagdad stimmten überein, daß der Irak trotz seines Nachgebens seine Karten in dieser letzten Krise clever ausgespielt und es geschafft hatte, das Thema Sanktionen und umfassende Überprüfung der UN-Resolutionen erneut auf die internationale Tagesordnung zu hieven. Am Ende konnte aber nichts darüber hinwegtäuschen, daß man wieder an dem gleichen Punkt angelangt war wie vor der Krise, mit dem Unterschied, daß diesmal eine US-Armada am Golf auf weitere Einsatzbefehle wartet. Sogar irakische Medien haben ihren offiziellen Siegestaumel beendet. Letztes Wochenende prophezeite die von Saddam Husseins Sohn Udai kontrollierte Zeitung Babil einen Militärschlag mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten drei Wochen.

Auch ein anderer Diplomat glaubt, daß die nächsten zwei Wochen entscheidend sein könnten. Irak werde versuchen, alle Probleme mit den UN-Inspektionen zu vermeiden, aber, so befürchtet er, im „Geiste der UNSCOM“ würden die Inspektoren möglicherweise, mit der US-Militärmaschinerie im Rücken, zu provozieren versuchen, um Bagdads Kooperationswillen zu testen.

Der „Geist von UNSCOM“ hat auch laut einem anderen Diplomaten viel zu der Krise beigetragen. UNSCOM-Inspektoren benähmen sich oft, als wären sie zu Hause. Um eine erneute Konfrontation zu vermeiden, verlegten sich die Offiziellen in Bagdad zunächst auf eine zahmere Sprachregelung, ohne dabei ihre Position aus den Augen zu verlieren: „Wir tun unser Bestes, die Arbeit mit UNSCOM zu erleichtern, aber dafür wollen wir, daß es möglichst schnell zu einer umfassenden Überprüfung der Sanktionen kommt“, erklärte nach der letzten Krise General Amir al- Saadi, der irakische Kontaktoffizier zur UNSCOM. Der General nutzte die Gelegenheit, um ebenfalls das grundlegende Konzept der Inspektionen zu kritisieren. „Ist es Iraks Job zu beweisen, daß wir frei von Massenvernichtungswaffen sind? Hat Butler irgendwelche Hinweise auf das Gegenteil?“, fragt al-Saadi.

Derweil könnte die nächste Krise durch die irakische Weigerung, Dokumente zu übergeben, ausgelöst werden. Dieser Streit über die Herausgabe von Dokumenten, dessen wichtigstes vermeintlich im Iran-Irak-Krieg benutzte chemische und biologische Waffen aufzählt, könnte zum Casus belli werden. Iraks Vizepremier Tarik Asis äußerte sich verärgert über den Dokumentenhader und klagte Chefinspektor Richard Butler an, eine amerikanische Aggression rechtfertigen zu wollen.

Butler bleibt in der irakischen Schußlinie. Dessen Erklärung nach der Krise, das dies nun die letzte Chance für den Irak sei zu kooperieren, zeigte den Irakern erneut, daß Butler als Politiker und nicht als UN-Beamter agiert. Eine Ansicht, die auch ein Bagdader Diplomat teilt, der einen legalistischen Ansatz fordert: Es sei nicht Butlers Job, Iraks Erfüllung der UN-Resolutionen zu bescheinigen. Aufgabe der UNSCOM sei es, dem UN-Generalsekretär zu berichten, der sich auch Iraks Meinung einholen könne, um dann Empfehlungen an den UN-Sicherheitsrat auszusprechen. Dieser entscheide über die Sanktionen.

Während der neueste Bericht der UNSCOM vom Oktober von technisch-militärischen Details spricht, die noch verifiziert werden müssen, ist der tatsächliche Zustand der irakischen Armee eine offene Frage. Laut diplomatischen Quellen wurden die meisten Ressourcen der letzten Jahre dazu verwendet, das Regime vor inneren Unruhen zu schützen. Tatsächlich zweifelt kaum einer, daß die Armee jederzeit einen schiitischen Aufstand im Süden unterdrücken könnte. Einige Diplomaten in Bagdad bezweifeln, ob die irakische Armee einem saudisch-kuwaitischen Angriff noch standhalten könne. Klar ist, daß die irakische Armee, falls das zugelassen würde, jederzeit wieder in den kurdischen Norden des Landes einziehen könne. Ob die Armee dort ihre Positionen gegen kurdische Rebellen halten kann, ist fraglich. Ein Diplomat in Bagdad hat bereits ein Szenario parat: Nach ein paar Tagen würde die Armee zurückgerufen, um Bagdad abzusichern.

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