: Prima, Paulchen
Kleiner Mann, großer Atem: Entertainer, Jazzmusiker und Semi-Legende Paul Kuhn in der Fabrik ■ Von Christian Buß
eine Ähnlichkeit mit dem Zeichentrickhund Drops ist frappierend. Die Ohren hängen schwer, die Augen ebenfalls. Doch lassen wir uns von dieser ausgestellten Trägheit nicht täuschen: So wie der Köter noch jeden Kriminellen zur Strecke bringt, so schleicht sich Paul Kuhn ans Ziel. Kleiner Mann, großer Atem. Am Sonntag vormittag jedenfalls gab der Geküßte und Geschlagene ein veritables und wunderbares Jazz-Konzert in der Fabrik.
Kinski, Juhnke, Buchholz – solche Namen passen ganz gut zu dem der Semi-Legende Kuhn. Die brachten sowas wie Glamour in einen gesellschaftlichen Bereich, der in Deutschland eigentlich gar nicht existierte: das Entertainment. Am Weltruhm indes schrammten sie alle vorbei. Der eine mehr, der andere weniger. Paul Kuhn mehr. Gern darf man in diesem Zusammenhang noch einmal die Anekdote weiterreichen, wie er mit seinem Kollegen Juhnke beinahe einmal Frank Sinatra die Hand gegeben hätte. In New York war das gewesen, in der Bar eines Hotels, wo auch das Idol der beiden Partner in crime nächtigte. Also ließen sie über den Manager anfragen, ob sie dem Star einen Drink ausgeben dürften. Der versprach zu gucken, was sich machen ließe. Als nach Stunden der große Moment gekommen war, hatten sich die beiden aufgeregten Kerle aus Germany dermaßen mit Wodka abgefüllt, daß sie nicht mehr stehen konnten.
Für Juhnke baut man im deutschen Fernsehen immer noch die große Show-Treppe auf, aber einen wie Kuhn hat man schon vergessen. In den Siebzigern staubte er als Moderator und Leiter der SFB-Big-Band zwar alle Auszeichnungen ab, die man so als hiesige TV-Prominenz so abstauben kann, also Goldene Kameras und all das Zeugs, aber in den Achtzigern stürzte das Sternchen von unserem Paulchen rapide ab. Da taten sich alle Abgründe auf, die sich vor hiesiger TV-Prominenz auftun können, also Vaterschaftsklagen, Betriebsfeier-Engagements und Bewährungsstrafen wegen Steuerhinterziehung.
Um so ertaunlicher, wie stilsicher sich der heute 70jährige als Hipster zu inszenieren weiß. Wir sprechen hier nicht von der scheußlichen Krawatte und den verwehten Haarresten auf dem Kopf. Aber von den Plakaten, die seine Matinee ankündigten, blickte Herr Kuhn unglaublich cool – in der einen Hand eine qualmende Zigarette, die andere in der Hosentasche. Eine Art Versprechen, das er live einhielt: In den Pausen plauderte er, die Beine salopp übereinandergeschlagen, über die alten Zeiten im allgemeinen und den Jazz im besonderen, dann schnippte er sich durch die alten Standards. Nicht revolutionär, aber mit solidem Swing. Und wenn es nötig war, raunte er auch ins Mikro. So wie während der Zugabe bei „Route 66“ oder zuvor für Charlie Parkers Klassiker „Ornithology“, den Kuhn ohne falsche Rafinesse, aber mit viel Seele interpretierte.
Die reife Jugend im Publikum applaudierte so frenetisch, wie das eben die reife Jugend noch kann. Und die gen Bühne gereichten Kosenamen waren kein Zeichen von fehlendem Respekt. Prima, Paulchen.
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