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Neue Heimat

■ Deutschlands erstes türkisches Radio will in Berlin an eine unbekannte Werbezielgruppe

Nach anderthalb Jahrzehnten Privatfunk ist nun auch die letzte Hörergruppe erfaßt und an die Werbung verkauft, so scheint es. Doch sieben Millionen Menschen ohne deutschen Paß, darunter zwei Millionen Türken, sind bisher durchs Netz gefallen. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, daß hier etliche Millionen Mark an Kaufkraft nur darauf warten, durch Werbebotschaften kanalisiert zu werden.

Deshalb dürfen sich nach fast drei Jahrzehnten Einwanderung endlich auch die ersten türkischstämmigen Bürger in Deutschland auf ein Radio freuen, das ihre Muttersprache spricht: Nächstes Jahr soll es in Berlin starten. Zwar gibt es in der Hauptstadt bereits die Integrationswelle „Radio Multikulti“, und der WDR baut in NRW etwas Ähnliches auf. Doch diese Programme mit Infosendungen für alle Einwanderercommunities können in vielem die Interessen der Deutschtürken gar nicht erreichen. Diese holen sich lieber ihre Heimatprogramme (nicht nur beim TV) vom Satelliten, mit allen negativen Folgen für die Integration: Schließlich haben die Sendungen ihren Mittelpunkt in der Türkei und somit mit dem deutschen Leben wenig zu tun.

Im Gespräch mit den Machern wird schnell klar, daß nicht Multi- Kulti-Ambitionen, sondern nüchtern kalkulierte Gewinnerwartungen ihre Motivation sind. Die Makaria GmbH, die den Sender betreiben wird, ist zu 100 Prozent in deutschem Besitz: Der Löwenanteil von 80 Prozent gehört der Medienunion Ludwigshafen, die u.a. Helmut Kohls Magenblatt Rheinpfalz verlegt.

Schon vor zwei Jahren erhielt Makaria eine Sendelizenz, damals mit dem türkischen Mischkonzern Rumeli als Mehrheitseigner. Doch der hatte Probleme mit den Lizenzbedingungen: Zum Beispiel wollte er ein Programm aus der Türkei mit lokalen Fenstern aufschalten, erzählt Herbert Schnaudt, einer der Initiatoren, der in München eine Medienvermarktungsfirma betreibt. Die hiesige Medienaufsicht bestand allerdings auf einem komplett in Berlin produzierten Programm.

Schnaudt soll der einzige Deutsche bei Makaria bleiben. Die übrigen 30 Arbeitsplätze sollen mit türkischstämmigen BerlinerInnen besetzt werden, die überdies mit perfekten Deutsch- und Türkischkenntnissen aufwarten müssen. Zwar soll auf dem Sender nur Türkisch gesprochen werden, doch spätestens das Telefoninterview mit Kreuzbergs Bürgermeister muß auf deutsch geführt werden. Und auch die Verkaufsgespräche, die die Werbeabteilung nicht nur mit türkischen Mittelständlern, sondern auch und gerade mit deutschen Autohäusern, HiFi-Geschäften und Kaufhäusern führen will, erfordern geschliffenes Deutsch. Die, findet Schnaudt, schalten nämlich immer noch zu wenig Werbung in türkischen Medien: Gerade mal fünf Millionen Mark betrage das Volumen türkischer Werbeträger in Berlin. Es könne sechsmal soviel werden, würden türkische Medien professioneller vermarktet werden.

Damit die Werbegelder und die angepeilten 70.000 Hörer pro Stunde erreicht werden, soll es hauptsächlich Musik geben – „wahrscheinlich türkische Pop- und Arabeskmusik“, kündigt Marketingchef Akin Duyar an. Das Wortprogramm solle Nachrichten und Service aus Berlin bieten, vor allem aber unterhalten: „Zur Hauptsendezeit laufen in der Türkei vor allem Comedy-Programme“, erzählt Duyar. Hauptsendezeit sei dort nicht wie hierzulande der Vormittag, sondern nachmittags. Anders als die Satellitenprogramme werde man auch im Auto oder Freibad zu hören sein. So könne sich der Sender an die deutschen Tagesabläufe der Zielgruppe anpassen. Frank Drescher

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