Unterm Strich

Martin Walser hat sich erklärt. In der FAZ vom Samstag war seine Rede an der Universität Duisburg nachzulesen, in der der Schriftsteller noch einmal seine Gedanken zum Gedenken verteidigte. Walser sieht sich als Opfer seiner Sprache: Weil Professoren, Intellektuelle und vor allem die Kritiker der Zeit nicht richtig deutsch können, haben sie seine Sätze über den Umgang mit Auschwitz als nationalistische Verdrängungsarbeit und als Privatsache interpretiert. Er hätte aber niemals eine private, sondern viel mehr eine persönliche Trauer empfohlen. Ein solches Unterfangen können allerdings Medien, so Walsers Kritik, nicht leisten, weil dort „hauptsächlich Routine, Lippengebet, Ritualisierung“ abgespult würden.

Ansonsten nimmt Walser für sich in Anspruch, seine Friedenspreisrede literarisch und also bildlich verfaßt zu haben. Walser beruft sich dabei auf die Bibel: „Gott befiehlt Abraham, seinen Sohn Isaak zu schlachten. Trotzdem ist das keine Religion, die befiehlt, daß Väter ihre Kinder schlachten, sondern eine Religion, die einen absoluten Glauben verlangt. Wenn Abraham bereit ist, seinen Sohn zu töten, fällt Gott ihm in den Arm. Ich glaube, diese Rügen, diese Unterstellungen ziehe ich mir zu, weil ich mich nicht der für Bewältigung eingeführten und von den moralischen Instanzen abgesegneten Umgangssprache bedienen kann.“ Zur Erinnerung: Erst im März hatte der Vatikan ein „Dokument zum Holocaust“ veröffentlicht, in dem die katholische Kirche sich auf kein konkretes Schuldeingeständnis bei der Judenvernichtung durch die Nazis einigen konnte. Statt dessen wurde die weiche Haltung von Papst Pius XII. gegenüber den Nazis verteidigt. Er habe sich „äußerst klug verhalten“, indem er allzu scharfe Kritik an Hitler vermied – so konnte er angeblich unzählige Menschen vor der Deportation retten. Unter Historikern ist diese These umstritten.