Kommentar: Rechthaberei
■ Was treibt Rechtschreibreform-Gegner?
Möglichkeiten, um sich zu engagieren, gibt es ohne Ende. Für den Naturschutz, gegen Verkehrsberuhigung, gegen Studiengebühren, für bedrohte Völker, für die neue Ortsumgehungsstraße, gegen Subventionen für Werften oder Bergwerke. Aber wem hilft es eigentlich, die längst beschlossene Rechtschreibreform zu verhindern?
Wenn es nur darum ginge, die Behandlung des Volkes durch Politik und Verwaltung zu rügen, ließen sich in fast jeder Bebauungsplanung schlimmere Arroganz der Obrigkeit feststellen. Wessen Wohlbefinden hängt ernsthaft davon ab, ob man s und t, denen das gemäß einer alten Eselsbrücke einmal weh tat, jetzt trennen darf? Wessen kulturelle Identität ist bedroht, wenn statt der elenden Zweifelsfrage „klein und zusammen“ oder „groß und auseinander“ endlich mehr Klarheit herrschte? Stirbt die deutsche Sprache, wenn bei der Komma-Setzung mehr Freiheit einzieht? Es erscheint eine Wochenzeitung in der neuen Orthographie, die neuen Duden sind gedruckt, auch Journalisten und Beamte werden sich umgewöhnen, zumal eine lange Toleranzphase vereinbart ist.
Wer jetzt die Reform kippen will, muß sich fragen lassen, wem er aus oberlehrerhafter Besserwisserei schaden will. Die Hauptbetroffenen dürfen nicht mitstimmen bei einem Volksentscheid. Die Schüler sind vielleicht nicht unbedingt für die Neuerung. Aber sie zahlen die Zeche einer jahrelanger Ungewißheit. Joachim Fahrun
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