: Bahn-Chef Ludewig soll auf dem Führerstand bleiben
■ Auf der morgigen Aufsichtsratssitzung ist eine Ablösung des Kohl-Intimus unwahrscheinlich
Er bleibt, er bleibt nicht, er bleibt... Seit dem Regierungswechsel in Bonn schwappen die Gerüchte über das künftige Schicksal des Bahn-Chefs und Kohl-Intimus Johannes Ludewig. Morgen tagt der Aufsichtsrat und wird darüber entscheiden, ob Ludewig in den politischen Ruhestand geschickt wird oder weiter im Führerstand des Unternehmens stehen darf. 20 Personen mit insgesamt 21 Stimmen sitzen in dem Gremium, zehn von ihnen sind von den ArbeitnehmerInnen entsandt, die anderen kommen von der Eigentümerseite, dem Bund. Nach dem Regierungswechsel gibt es hier neue Gesichter: die beiden SPD-StaatssekretärInnen Elke Ferner und Alfred Tacke aus dem Verkehrs- und Wirtschaftsministerium und Manfred Overhaus vom Finanzministerium. Der bündnisgrüne Abgeordnete Albert Schmidt soll später folgen.
Die restlichen Aufsichtsratsmitglieder kommen aus der Wirtschaft. In Pattsituationen entscheidet Ludewigs Vorgänger Heinz Dürr, der als Aufsichtsratschef zwei Stimmen hat.
Die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), die sich in der Kohl-Ära mit Kritik am Bahnchef weitgehend zurückgehalten hatte, forderte seit Oktober sehr offensiv Ludewigs Abberufung. „Vor der Bahnreform hat man auf Umsatzeinbrüche mit einer Streichung des Leistungsangebots reagiert – und jetzt macht der Vorstand das wieder. Solche Manager sind nicht geeignet“, sagte GdED-Sprecher Hubert Kummer. Doch nachdem der SPD-Bundesverkehrsminister Franz Müntefering vergangene Woche bei einem Treffen mit Dürr erklärt hatte, er halte nichts von einer Personalisierung der Debatte über die Zukunft der Bahn, sind die Töne moderater geworden. Jetzt heißt es nur noch, die GdED-Vertreter im Aufsichtsrat behalten sich vor, die Vertrauensfrage zu stellen – falls Ludewig schwache Ergebniszahlen und ein unzureichendes Konzept für die Zukunft vorlegen werde. Personalfragen stehen aber offiziell gar nicht auf der Tagesordnung.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Heinz Dürr hat, genau wie Johannes Ludewig, ein CDU-Parteibuch. Doch grün ist der Exchef seinem Nachfolger deshalb nicht. Er hatte keinen Parteipolitiker und Beamten gewollt, sondern einen Mann aus der Industrie, war aber mit seinen Vorschlägen bei Kohl abgeblitzt. Vergangene Woche hieß es wieder, daß Dürr für den Chefposten zwei Kandidaten aus der Wirtschaft präsentieren wolle. Im Falle ihres Scheiterns werde er selbst zurücktreten, hieß es – was kurz darauf wieder dementiert wurde. Inzwischen steht zu vermuten, daß Ludewig die Sitzung übersteht und möglicherweise erst nach Vorlage der nächsten Bilanz abgesetzt wird. Dann habe die Entscheidung nicht den Geruch von Parteipolitik, sondern sei inhaltlich zu begründen, heißt es.
Doch tatsächlich hat die SPD wohl auch keinen geeigneten Kandidaten. Da taucht mal der Name vom künftigen GdED-Vorsitzenden Norbert Hansen auf, dann wird der bei der Bahn für den Nahverkehr zuständige SPD-Mann Daubertshäuser genannt. Und auch Hartmut Mehdorn, Chef der Heidelberger Druckmaschinen AG, ist erneut im Gespräch.
Daß potentielle Bahnchefs nicht Schlange stehen, liegt wohl auch daran, daß eine erfolgreiche Unternehmenspolitik unter gegenwärtigen Rahmenbedingungen kaum möglich ist: Nicht nur sind die Schulden in den vergangenen Jahren wieder zu einem immensen Berg angewachsen. Als hemmend hat sich an einem entscheidenden Punkt auch die von der SPD mitausgearbeitete Bahnreform erwiesen: Im Gegensatz zum Straßenverkehr müssen Zugunternehmen für die Nutzung der Trassen zahlen. Und anders als beim Luftverkehr ist der Sprit für die Dieselloks auch nicht steuerbefreit. Rühmliche Bilanzen sind damit für niemanden zu erwirtschaften.
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