piwik no script img

Pilze aus Schokolade

Eine Sitte droht unterzugehen: Hamburgs Senatoren besitzen keine Adventskalender  ■ Von Judith Weber

Das Werbegeschenk für JournalistInnen ist eine Enttäuschung. Das erste Papptürchen des Gratis-Adventskalenders birgt Milchschokolade in Fliegenpilzform und ist derart achtlos perforiert, daß nach dem Aufreißen ein gezacktes Loch zurückbleibt.

Dennoch: Es könnte schlimmer kommen, zeigt eine Redaktionsumfrage. „Mir hat keiner einen Adventskalender geschenkt“, beschwert sich die Kollegin aus dem Justizressort. „Stimmt, den müßte man sich eigentlich noch zulegen“, heißt es aus der Kulturredaktion, und die Volontärin hat von ihrer Mutter „statt eines Adventskalenders vierzig Mark bekommen“. Auch im rot-grünen Senat der Hansestadt droht die liebenswerte Vorweihnachtssitte sang- und klanglos unterzugehen. Kaum ein Regierender besitzt einen Kalender. „Meine Arbeitstage im Dezember halten ohnehin jeden Tag ein Türchen für mich bereit“, erklärt Bürgermeister Ortwin Runde (SPD). „Manchmal sind auch Überraschungen dahinter.“

Vize-Stadtchefin Krista Sager (GAL) setzt in punkto Weihnachtsbrauch auf Harmonie mit dem Koalitionspartner. Einen Kalender habe die Gleichstellungssenatorin nicht, teilt ihr Referat mit. „Aber einen Adventskranz – grün mit roten Kerzen.“

Ganz wie die Sozialsenatorin. Auf dem Schreibtisch von Karin Roth (SPD) steht „eine Kerze mit Kranz drumrum“. Parteikollegin Rosemarie Raab, Chefin der Schulbehörde, hat nicht mal das. Sie zieht derzeit mit ihrem Büro in andere Räume um, „da war noch keine Zeit für Gemütlichkeit“, erklärt Pressesprecherin Viola Griehl.

Das traurige Fazit: Zufrieden mit dem gestrigen ersten Adventskalender-Tag ist nur die taz-Sportredaktion. Hier hat Muttern einen Kalender geschickt, „mit ganz leckeren Trüffeln drin“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen