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Bahn, eine dringend notwendige Einrichtung –betr: Chaostage bei der Deutschen Bahn, taz vom 1. 12. 98

[...] O je! Natürlich gibt es die kritisierten Mißstände. Und die gehören abgeschafft. Bravo. Aber was lernt uns dieser Artikel mit seiner schlaglichtartigen Aufzählung allseits bekannter Probleme? Als beruflich Vielreisender auf allen deutschen Schienen und Pisten weiß ich Gott sei Dank, daß an diesem (Bild-artigen) Statement im Vergleich Schiene – Straße nur die umweltbezogene Aussage zutrifft. Zum Glück wissen auch Millionen andere: Wir sind der Stau – ganz zu schweigen von den Kosten, den Nerven oder gar der Umwelt. Thomas Lauenstein, Dortmund

[...] An eine Eisenbahn stelle ich den Anspruch, mich schnell, bei jedem Wetter, pünktlich und zu einem vernünftigen Preis möglichst nah ans Ziel zu bringen. Daß dabei die Qualität des Services auch eine Rolle spielt, versteht sich von alleine.

In Deutschland ärgere ich mich häufig über die langen Wartezeiten an den völlig überlasteten Schaltern. Dem könnte abgeholfen werden, wie die Franzosen beweisen: In Frankreich kann ich meinen Fahrplan seit Jahren über das Minitel (in fast allen Haushalten verbreiteter Vorläufer des Internet) abfragen, und dabei auch gleich eine Karte bestellen. Wenn ich dies einen Monat vor der Reise mache, dann spare ich 50 Prozent, eine Woche vorher noch 30 Prozent. Die SNCF kann dementsprechend ihre Züge disponieren und verringert Leerfahrten und überfüllte Züge. [...]

Die Politik der Bahn kann auch in puncto Geschwindigkeit von den Franzosen lernen. Vielleicht sind die französischen TGV nicht ganz so bequem wie die ICE. Schneller und preisgünstiger sind sie in jedem Fall, vielleicht sogar sicherer, wie die Diskussionen nach Eschede zeigten. Wenn ich von Grenoble nach Paris (etwa die gleiche Entfernung wie München-Hamburg) fahre, so brauche ich dafür drei Stunden, in Deutschland jedoch sechs. Dies wird dadurch möglich, daß der TGV nur einmal in Lyon hält und sonst die 700 Kilometer Strecke einfach durchfährt. [...]

Außer der Bahncard habe ich bei der Bahn nur wenig ernsthafte Möglichkeiten, wirklich den Preis meiner Fahrkarte zu beeinflussen. [...] Als wir vor kurzem zu dritt zum Geburtstag meines Vaters nach München 750 Mark für die Fahrkarten zahlen sollten, war es logisch, das Auto zu nehmen, auch wenn die Umwelt dabei leidet.

Wieso zahle ich für Bremen-Köln 180 Mark (hin und zurück) im IC, wenn der Thalys (ICE) von Köln über Brüssel nach Paris nur 128 Mark kostet? Wieso kann die Bahn nicht wie die Franzosen Preise wie beim Flugzeug staffeln und die gefragten Montagmorgen-/Freitagabendzüge teurer machen, um die Preise bei den weniger beliebten Zügen zu senken? [...] Die SNCF hat dabei den Vorteil, daß sie Belastungsspitzen abbauen kann, daß die Züge gleichmäßig ausgelastet sind und trotzdem ein durchgehender Fahrplan angeboten werden kann. [...]

Fazit: Ich würde mich freuen, wenn die Bahn statt anglophiler Wortschöpfungen mal wieder richtig neue Ideen brächte. Preise runter, mehr Pünktlichkeit, kundenfreundlicher Service. Damit würden auch wieder mehr Fahrgäste kommen. Der Staat muß ihr dabei helfen können, auch wenn die Bahn als Privatunternehmen ohne dessen finanzielle Rückendeckung bestehen muß. Die Bahn ist eine dringend notwendige Einrichtung für alle, die Unfallzahlen senkt, die Umwelt entlastet und allen, solange sie bezahlbar bleibt, Mobilität garantiert. [...] Henrich Fitger, Bremen.

[...] Daß technische Störungen so häufig sind und nicht schnell genug behoben werden, liegt sicherlich einerseits an der zeittypischen Politik, Personal aus einem zu vordergründig kostenorientierten Denken heraus immer mehr zu reduzieren [...], andererseits wohl auch daran, daß der Anschaffung von immer mehr supermodernen (und superteuren) Hochgeschwindigkeitszügen anscheinend höchste Priorität eingeräumt wird, anstatt erst mal eine ausreichende Wartung und Instandhaltung der Infrastruktur sicherzustellen. Daß das Kalkül, große Fahrgastzahlen mit einem schicken Fuhrpark zu locken oder auch nur zu halten, aufgeht, wenn im Alltagsbetrieb so vieles schiefläuft, darf wohl bezweifelt werden. Schade um die Bahn, die doch eigentlich (!) das in vieler Hinsicht bessere und vor allem umweltverträglichere Verkehrsmittel als das Auto ist! Rainer Bartl, Frankfurt

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