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Liebe in den großen Städten

■ Hühnerfahrradkuriere, die sich nach Hamburgerverkäuferinnen sehnen: Peter Chans "Hongkong Love Affair" handelt von zarten Befreundungsakten in feindlicher Umwelt

Hongkong ist weltberühmt für seine perfekt inszenierten Kung- Fu-Filme und für das hyper- oder postmoderne Kino von Wong Kar- Wai und anderen. Mit „Hongkong Love Affair“ kommt nun auch einmal ein Liebesfilm in die deutschen Kinos. 1997 wurde Peter Chans Film, der das Fern- und Heimweh chinesischer Festlandsemigranten mit einer romantischen Liebesgeschichte verbindet, beim Internationalen Filmfestival in Hongkong mit neun Best-Preisen ausgezeichnet.

Die Geschichte beginnt 1986 und endet 1996, ein Jahr vor der Übergabe Hongkongs an China. Am Anfang kommt Jun (Leon Lai, der den Killer in „Fallen Angels“ gespielt hatte und der als „King des Canton-Pop“ gilt), ein junger Mann Anfang zwanzig, mit großen Erwartungen vom Festland in die Metropole. Hier soll ein neues Leben für ihn beginnen. Zunächst kommt er im Bordell seiner exzentrischen Tante Rosie (Irene Tsu) unter, die einen kleinen Chow- Chow hat und nach dreißig Jahren immer noch von einem gemeinsamen Abend mit dem amerikanischen Schauspieler William Holden schwärmt. Schüchtern und mit großen Augen staunt er die Lichter der verwirrenden Großstadt an. „Es gibt viele Ausländer hier. Sie sprechen fremde Sprachen“, schreibt Jun in einem Brief an seine Verlobte, die nachkommen soll, sobald er sich hier eine Existenz aufgebaut hat.

Allmählich wird der Fremde, der sich seiner bäuerlichen Herkunft und Sprache ein bißchen schämt, in die Moderne eingeweiht. Er findet einen Job als fahrradfahrender Hühnerkurier, er besucht Kantonesisch- und Englischkurse. Jeremy (Christopher Doyle), der Englischlehrer, ist ein netter, wenngleich – was durchaus bedeutsam ist – heimatloser Rumtreiber, der gern trinkt und seine Schüler mit Hilfe amerikanischer Slapstickfilme unterrichtet. Da sprechen sie dann im lustigen Chor: „I go to hell, you go to hell, we go to hell.“

Entscheidend ist für Jun ein erster Besuch bei McDonald's. Aufgeregt stottert er bei seiner Hamburger-Bestellung, was allerdings auch an der schönen Qiao (Maggie Cheung) liegt, die hier arbeitet. Das macht er später auch, was seinen ersten Karriereschritt darstellt. Beide sind sie allein in der großen Stadt und befreunden sich. Qiao ist ehrgeizig, gibt sich weltgewandt, verachtet die Festlandsemigranten und geht immer wieder zum Geldautomaten, um mit großer Freude zu registrieren, wie ihr Geld sich vermehrt.

Nach einem mißglückten Business, bei dem die beiden Cassetten der in China verehrten Schlagerdiva Teresa Teng vergeblich zu verkaufen suchen, kommt heraus, daß auch Qiao vom Festland kommt. Beide verlieben sich ineinander und schlafen zusammen. Eine komplizierte, sozusagen vorläufige Liebesgeschichte beginnt, die erst am Ende in New York eingeholt werden wird. Vorläufig, weil beide an ihren alten Lebensplänen festhalten, ohne sie durchhalten zu können.

Während Qiao sich mit Bao, einem sympathischen Gangsterboß einläßt, heiratet Jun seine Freundin vom Festland. Doch die schicksalhafte echte Liebe gibt keine Ruh'. Juns Ehe scheitert. Wie Qiao verläßt er Hongkong und zieht durch die Welt. In einem recht unfreundlichen New York – Bao wird von jugendlichen Rowdys erschossen – finden sie einander wieder, nachdem sie einige Male aneinander vorbeigelaufen sind, wie der Zufall es will vor einem Fernsehgeschäft. Im Fernseher sieht man Bilder der Schlagersängerin Teresa Teng, die gerade gestorben ist.

Trotz seiner Hollywoodelemente ist „Hongkong Love Affair“ ein sehr angenehmer Liebesfilm. Eine Weile ist man noch genervt über die ständige, grauenhaft süßliche, klassikradiokitschromantische Klaviermuzak, dann ist man doch plötzlich sehr dabei und geht aus dem Film wie aus einem schönen Traum und blinzelt dann in den regnerisch grauen November. Detlef Kuhlbrodt

„Hongkong Love Affair“. Regie: Peter Chan. Mit Maggie Cheung, Leon Lai, Eric Tsang u.a. Hongkong 1996, 115 Min.

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