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Viag pokert mit der Hauptstadt

Der Münchner Großkonzern Viag AG droht Berlin mit Rücknahme seiner Investitionszusagen. Es sei denn, die Hauptstadt spendiert großzügig Filetgrundstücke  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Erpressung zählt eigentlich nicht zu den Branchen des Münchner Energie-, Chemie-, Logistik- und Telekommunikationskonzerns Viag. Erpressung nennen jedoch Mitglieder des Berliner Senats das, was der Großkonzern gerade in der Hauptstadt versucht hat. Nach Informationen aus dem Senat hat die Viag AG die wirtschaftliche Notlage Berlins ausgenutzt und gedroht, sein vertraglich vereinbartes wirtschaftliches Engagement an der Spree zu stornieren. Es sei denn, der Senat stimme einem für die Viag lukrativen Millionen-Grundstücksdeal zu.

Viag hatte im vergangenen Jahr innerhalb eines Konsortiums den Berliner Stromversorger Bewag aufgekauft. Vertraglich hatte der Konzern dabei zugesagt, sein Grundstücksmanagement, die Tochterfirma Erka, an die Spree zu verlegen. Arbeitsplätze und Investitionen von rund 60 Millionen Mark hatte sich die Hauptstadt davon versprochen. Vor kurzem jedoch forderte Viag einen weiteren Millionendeal von der Hauptstadt, ansonsten: Hauptstadtengagement ade.

Fast hätten sich die Münchner mit ihrem Millionenpoker auch durchgesetzt. Neben seinem Investitionsrückzug habe Viag, so Senatskreise, auch mit einer Millionenklage gedroht: Mißwirtschaft durch den Senat habe die Viag geschädigt, Grundstücke, die die Viag in einem der hauptstädtischen Entwicklungsgebiete am Rande der Stadt – in der Wasserstadt – besitzt, könnten nur mit Verlust bewirtschaftet werden.

Der Druck zeigte zunächst Erfolg. In der Bauverwaltung hatte man bereits Gespräche darüber geführt, die Wasserstadtgrundstücke gegen Filetgrundstücke in der Innenstadt zu tauschen. Der von der Viag angegebene Wert seiner Wasserstadtgrundstücke: rund 45 Millionen Mark.

Der Senat hätte die Viag- Grundstücke kaufen oder eintauschen müssen. Vorteil für Berlin: Ein Teil der Viag-Grundstücke benötigt das Land langfristig für die weitere Erschließung des Entwicklungsgebietes. Der Senat hätte also auf Vorrat gekauft. Diese Woche hatte nun Berlins Bausenator Jürgen Klemann (CDU) den Entwurf einer Senatsvorlage präsentiert, um den Viag-Deal zu besprechen.

Die Berliner Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) schob dem Geschäft jedoch einen Riegel vor. Vorratskäufe seien angesichts der Kassenlage unfinanzierbarer Luxus. Ohnehin hatte sich der zuständige Parlamentsausschuß gegen Vorratskäufe gewandt. Gerade auch angesichts dessen, daß Viag bislang noch keinen Schritt unternommen habe, die vereinbarten Investitionen zu tätigen, hält man in Berlin ein weiteres Entgegenkommen für überflüssig. Jetzt erwartete man von Viag die Einhaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen.

Die Einhaltung indes steht in den Sternen. Bei der Viag hieß es, man halte seine Verpflichtungen ein. Doch würden die Grundstücke in der Mitte Berlins benötigt. Und in Senatskreisen herrscht erhebliche Skepsis: Ohnehin habe Viag nie ernsthaft darüber nachgedacht, das Grundstücksmanagement in die Hauptstadt zu verlegen, habe man festgestellt. Längst würde über andere Standorte verhandelt.

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