: „Sorry“, sagt die Weltmacht
■ US-Außenministerin Albright gibt „schwere Fehler“ in der Lateinamerikapolitik ihres Landes zu – besonders die Unterstützung des chilenischen Diktators Pinochet
Berlin (taz) – US-Außenministerin Madeleine Albright zeigt Reue: „Viele von uns blicken zurück und stellen fest, daß wir in Lateinamerika schwere Fehler begangen haben.“ Einer der Fehler, suggerierte Albright bei einem Gastvortrag an der Emory-Universität in Atlanta weiter, war die Unterstützung des chilenischen Militärdiktators Augusto Pinochet, um dessen Auslieferung an Spanien derzeit in London gestritten wird. Die USA wollen die Auslieferung verhindern und favorisieren statt dessen einen Prozeß in Chile selbst. Sie haben angekündigt, aus ihren Archiven Dokumente über die chilenische Diktatur bereitzustellen.
Anlaß für Albrights Äußerungen waren Fragen eines Studenten nach ihrer Haltung zur Zukunft der „School of Americas“ in Fort Benning, jener Militärakademie, an der die meisten späteren lateinamerikanischen Diktatoren der sechziger und siebziger Jahre im Kampf gegen „linken Terrorismus“ ausgebildet worden waren. Schon seit langem gibt es eine Diskussion über die Schließung der als „Schule der Diktatoren“ bekannten Akademie.
Tatsächlich haben die Vereinigten Staaten in diesem Jahrhundert eine blutige Vergangenheit in Lateinamerika: von der offenen Kanonenbootpolitik von Anfang des Jahrhunderts bis zu den geheimen Kriegen des CIA-Direktors William Casey, der unter Präsident Ronald Reagan in den 80er Jahren in Zentralamerika die Counter Insurgency, die Aufstandsbekämpfung, organisierte, vom Putsch gegen Guatemalas Präsident Jacobo Arbenz 1954 über die versuchte Intervention in der kubanischen Schweinebucht bis zur Verminung nicaraguanischer Häfen in den 80ern. Die Liste der Situationen, in denen die USA ihre Interessen in Lateinamerika durch staatlich sanktionierten Terrorismus und mit Hilfe übelster Schlächter durchsetzten, ist lang, das Embargo gegen Kuba bis heute nicht aufgehoben.
Vieles war nie wirklich geheim – 1986 etwa wurden die USA vom Internationalen Gerichtshof wegen der Verminung und Bombardierung von Nicaraguas Häfen zu 12 Milliarden Dollar Schadensersatz verurteilt. Freilich hatte Präsident Reagan bereits zuvor erklärt, keinerlei Urteil zu akzeptieren. Gezahlt wurde nie.
Von einer politischen oder juristischen Aufarbeitung ihres Verhältnisses zu Lateinamerika, vom Eingeständnis von Schuld für Tausende von Toten in US-finanzierten Kriegen ist Madeleine Albright noch weit entfernt. Ihre Äußerungen signalisieren vorsichtiges Umdenken und ein bißchen Scham – mehr nicht. Bernd Pickert
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