Der Bauherr und Lobbyist

Klaus Groth ist Vorsitzender des Landesverbandes Freier Wohnungsunternehmer und somit Lobbyist der in Berlin besonders einflußreichen „Baumafia“. Seit der Vereinigung steht die Firma Groth & Graalfs mit dem Projekt Karow-Nord für Stadtentwicklung großen Maßstabs. Ein Portät  ■ von Barbara Junge

Wir sind nur graue Mäuse“, postuliert Klaus Groth in seinem kleinen Besprechungsraum. Hoch über Berlin, im 21. Stockwerk des Ku'damm-Karrees im Herzen der West-City, blickt Groth auf das, was in der Hauptstadt neu entsteht. Ganz oben thront der bescheidene Mann, der die neue Bundeszentrale der CDU in Berlin baut und als Vorsitzender des Berliner Landesverbandes Freier Wohnungsunternehmer der Lobbyist einer in Berlin traditionell machtvollen Branche ist: im Volksmund die Baumafia. Groth sitzt sowohl im Beirat der Commerzbank als auch im Stadtentwicklungsausschuß der Industrie- und Handelskammer zu Berlin. Ein Mann, der nach eigenem Bekunden „nur Einfluß nimmt“.

Einflußnehmen sei sein gutes Recht, befindet Klaus Groth. Das Unternehmen Groth & Graalfs ist zwar nicht das größte in der Baubranche der Stadt, aber Groth hat einiges zu melden. „Macht?“ Nein, Macht habe er nicht. „Macht haben die, die da oben sitzen und entscheiden“ – die Politiker.

Eines steht für Groth fest: „Ich gehe in ein Gespräch nur hinein, wenn ich ein Ziel erreichen will. Ich gehe nur hinein, um als Sieger hinauszugehen.“ Interessenvertretung nennt er das und vergißt nicht zu erwähnen, mit wem in der Stadt er seine Interessen bespricht. „Ich habe heute jederzeit die Möglichkeit, wichtige Leute in Berlin um einen Termin zu bitten. Ich sag' denen dann mal meine Meinung, ob's denen paßt oder nicht. Was sie damit machen, ist ja dann deren Sache.“ Der eine oder die andere hört auf den Mann, der mit seinem Unternehmerverband 250 Wohnungsbaufirmen mit einem Bestand von 600.000 Wohnungen und einem Investitionsvolumen von jährlich 15 Milliarden Mark vertritt.

„Wo wir uns jetzt durchgesetzt haben, ist bei der Änderung der Bauordnung“, gibt der Unternehmervertreter zu. Berlins Bausenator Jürgen Klemann (CDU) hat auf Klaus Groth gehört und beschleunigte Verfahren ermöglicht. Auch Peter Strieder arbeitet inzwischen ordentlich. Der sozialdemokratische Stadtentwicklungssenator zeige sich in Gesprächen sehr vernünftig. „Inzwischen reden Klemann und Strieder wieder miteinander“, lobt Klaus Groth sich und seine „Brückenfunktion“, die er „zwischen verschiedenen Teilen der Politik“ einnehme. „Das kommt ja nicht von ungefähr“, merkt er stolz an. Nicht von ungefähr sind Klemann und Strieder die beiden Senatoren, in deren Ressorts Groths Interessen liegen.

In der CDU setzt sich Groth für seine politischen Ziele ein. Aus „einem gewissen Selbstverständnis heraus“ und um etwas zu bewegen, ist er Anfang der sechziger Jahre in die Partei eingetreten. Als weiteren Stützpfeiler seines politischen Konzeptes sieht Groth das Kammerwesen. In der Industrie- und Handelskammer vermittle er sowohl politische Gemeinwohl- als auch Unternehmerinteressen. Doch auch im Verband der Wohnungsunternehmer kann Groth sein gesellschaftliches Engagement unter Beweis stellen.

1971 hat der Unternehmer, der zuvor in Kiel gebaut und geplant hatte, in Berlin angefangen. Damals war er nur an dem Neubau eines Geschäftskomplexes auf dem Ku'damm beteiligt. Berlin hatte es ihm so sehr angetan, daß er 1977 wiederkam, um sich am Hotelbau- Sofortprogramm des Berliner Senats und der Bundesregierung zu beteiligen. Groth hatte mit seinen Partnern den Auftrag, ein Nobelhotel der Kette Hyatt zu bauen. Die Pläne standen schon, als der damalige Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorf (FDP) das Projekt scheitern ließ. 1980 sperrte er die Bonner Förderung und somit die Bewilligung des Neubaus. Dort, wo Groth das Hotel bauen wollte, steht jetzt der Neubau der Grundkreditbank. Investor ist Klaus Groth. Das Hyatt-Hotel aber entsteht unter Federführung von debis/Daimler-Benz am Potsdamer Platz und wurde am 2. Oktober 1998 eröffnet.

Klaus Groth ist in Berlin geblieben. „Man muß immer dann in eine Stadt gehen, wenn sie an ihrem tiefsten Punkt ist“, beurteilt Groth seinen Wechsel in die damals auf unabsehbare Zeit ummauerte Stadt. Stadtentwicklung sei in Berlin kaum möglich gewesen, gibt er zu – allenfalls Nachverdichtung innerhalb der engen Stadtgrenzen. Grenzenlos allerdings waren die Subventionen für wirtschaftliche Aktivitäten in und für Berlin. Die Stadt barg trotz ihres Tiefpunktes überdurchschnittlich große Gewinne für Bauunternehmer wie Groth und Graalfs.

Zusammen mit Dieter Graalfs, der sich selbständig machen wollte, gründete er 1982 das Bauunternehmen Groth & Graalfs – wenn die Berliner auch unken, angesichts der öffentlichen Präsenz von Klaus Groth könne es diesen Dieter Graalfs gar nicht geben. Bis zum Fall der Mauer bauten die beiden Geschäftspartner jährlich etwa 400 Wohnungen. Heute umfaßt der Geschäftsbereich von Groth & Graalfs Bürogebäude, Gewerbe- Objekte, Projektentwicklung und Projektmanagement mit vielfältigen Finanzierungskonzepten.

„Ich hätte mich zum Bürgermeister wählen lassen können.“ Doch Groth hat sich „für den Weg in die Wirtschaft entschieden“. Dennoch redet und handelt der Mann mit dem norddeutschen Akzent wie ein Politiker. Wenn er von der sozialen Verantwortung spricht, die er mit der Entwicklung neuer Stadtquartiere übernimmt, geriert er sich wie ein Abgeordneter im Berliner Landtag. „Aber Politik kam für mich nicht in Frage.“ Denn „Parteiräson übe ich nicht“.

Nach der mittleren Reife 1955 in Hennstedt-Dithmarschen – „Abitur war nicht drin, das nächste Gymnasium war zu weit weg“ –, entschied sich Groth für den Weg in die Verwaltung. In der Kommunalverwaltung Dithmarschen begann er seine Ausbildung und wurde mit 24 Jahren bereits Kämmerer der schleswig-holsteinischen Stadt Glücksburg. Zwei Jahre später übernahm er die Büroleitung der Stadtverwaltung, um mit 27 Jahren den Status als Beamter auf Lebenszeit zu erreichen. „Ich war immer früh in leitenden Positionen, in denen ich interessante Leute kennengelernt habe. Das hat mich geprägt“, sagt Groth.

Die parteipolitische Unabhängigkeit, die Klaus Groth postuliert, setzt er in der heutigen politischen Debatte Berlins um. Während sich seine Partei, die CDU, aus der Diskussion um den „Masterplan“ zum innerstädtischen Umbau Berlins in eine repräsentable Metropole für die neuen „Urbaniten“ heraushält, mischt sich Groth ein. Die Idee des Sozialdemokraten Strieder und seines Staatssekretärs Hans Stimmann, die Stadt zu rekonstruieren und das DDR-Erbe verschwinden zu lassen, findet beim Bauunternehmer Anklang. Auf dem Stadtforum, wo Strieders Ideen diskutiert und zuweilen verrissen werden, ist Groth Dauergast und -referent. „Berlin braucht Impulse“, und die will er „nicht nur aus Eigeninteresse“ geben. Die „muß man manchmal zurückstellen, um in einem nächsten Schritt wieder darauf zurückzukommen“. Zu dem Zweck hat er als weiteres Einflußinstrument den Arbeitskreis Wirtschaft ins Leben gerufen. Auf Anregung von Groths Landesverband Freier Wohnungsunternehmer sitzen dort unter Federführung der Industrie- und Handelskammer die Handwerkskammer, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, der Unternehmerverband Berlin-Brandenburg, der Deutsche Gewerkschaftsbund und sporadisch auch Vertreter der Universitäten zusammen, um den Senat zu „beraten“.

Die Idee stammt von Groth. Neue Stadtquartiere bräuchten einen sozialen Zusammenhalt. Um soziale Spannungen aufzufangen, müsse jedes Quartier einen Quartiermeister erhalten, der Pförtner, Sozialarbeiter und Hausmeister in einer Person sei.

Einen neuen Schub für Groths Entwicklung vom ambitionierten Bauunternehmer zum politisch einflußreichen Baulöwen hat der Zusammenbruch der DDR ausgelöst. Vorher hatte er Bauprojekte realisiert. Seitdem West-Berlin den Osten als neues Bauland betrachtet, der Markt in Brandenburg offensteht – Groth ist Mitglied im Beirat für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr der Landesregierung Brandenburg – und in Berlin das neue Modell der Public-Private-Partnership die Regel ist, steht das Unternehmen Groth & Graalfs mit seinen 136 MitarbeiterInnen für Stadtbau in großem Maßstab. Das Neubaugebiet Karow-Nord, eines der drei wichtigsten städtebaulichen Projekte, liegt in der Hand des zum Entwicklungsträger aufgestiegenen Unternehmens: 5.200 Wohnungen, drei Schulen, mehrere Kindertagesstätten, ein Ortszentrum mit Läden und anderen Einrichtungen für etwa 15.000 Menschen.

Aber auch im Zentrum finden Beruf und Partei zusammen. „Am Rande des Tiergartens kommt die Welt zusammen“, betonte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen am 28. Mai 1998 beim ersten Spatenstich für die neue Bundeszentrale der CDU. Dort werden bis zum Jahr 2000 die Bagger rollen. Auf dem gut 30.000 Quadratmeter großen Klingelhöfer Dreieck, wo bislang das Berliner Volksfest lärmte, entstehen neben der CDU-Parteizentrale Luxuswohnungen, Gebäude für drei Botschaften und der Sitz des Bundesverbandes der Privaten Bausparkassen. Im Areal mit der „Sicherheitsstufe 1“ werden sich ein Restaurant, ein Bistro, ein Fitneßcenter, eine Kunstgalerie und möglicherweise der Bundesverband der Zeitungsverleger niederlassen. Das videoüberwachte Quartier, das nur tagsüber öffentlich zugänglich sein wird, errichten Groth & Graalfs.

Trotzdem hat Klaus Groth seinen MitarbeiterInnen im Januar 1998 eröffnet, daß sie statt 37 nun 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Zwei Jahre lang gebe es keine Gehaltserhöhung. Das Unternehmensergebnis lasse zu wünschen übrig – auf genauere Auskünfte verzichtete der Unternehmer. „Und alle 136 Mitarbeiter haben mitgezogen.“ Im Unterschied zu Berlin, das die wirtschaftlich schwierige Situation im Geldbeutel ebenso zu spüren bekomme wie er, sei er in der Lage, seinen Angestellten eine Perspektive zu vermitteln: Die Arbeitsplätze blieben erhalten.

Berlin sei wieder an einem Tiefpunkt. Aber „man kann doch nicht sparen, ohne Perspektive zu bieten“. Zuversicht fehle in der Stadt ebenso wie wirklich wirtschaftliches Denken. „Berlin ist doch auch nur ein Wirtschaftsunternehmen.“

Damit dieses Unternehmen wieder floriert, greift der Wirtschaftsunternehmer den Parteien materiell unter die Arme. Aller Unabhängigkeit zum Trotz bekommt die CDU etwas mehr als die anderen – „aber nicht wirklich viel mehr“. Auch die SPD, die FDP und sogar die Bündnisgrünen tauchen auf der Spendenbescheinigung von Klaus Groth auf. Nur bei der PDS hört Groths politische Toleranz auf. „Die PDS bekommt von mir keinen roten Heller.“