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Kids, lernt die Werte von Daimler-Chrysler

■ „Step 21“ heißt eine neue Jugendinitiative der Industrie. Die Sponsoren sorgen dafür, daß das Geld nicht ausgeht, und fordern eine Gegenleistung der Kids: Versteht die globalisierte Welt

Berlin (taz) – Das hätten die Kids mal lieber nicht gesungen: „Sun is fun, rain is pain, we don't care about tomorrow“, rapten sie im Jugendzentrum Schlesische Straße im Bezirk Kreuzberg. Der Einspruch kam umgehend vom Daimler-Chrysler-Vorstandsmitglied Klaus Mangold. „Wir wollen eine Jugend mit Lust auf Zukunft, Spaß an Kreativität und Entdeckerfreude, keine neue Null-Bock- Generation.“ Mit dem Wunsch nach „neuen jugendlichen Helden“ rief Mangold eine bundesweite Jugendinitiative ins Leben – „Step 21“. Der dynamische Name soll ins neue Jahrtausend verweisen, nicht weniger das Anliegen des Projekts. Initiatorin Sonja Lahnstein will Jugendliche anstatt „Destruktivität Verantwortung lehren“.

Nun gibt es viele Jugendprojekte, dieses hat den anderen eines voraus – Geld. „Step 21“ steht nicht am Ende der Warteschlange der um Projektgelder raufenden Streetworker, sondern ganz vorn an der Zahlkasse, aus der Bertelsmann, Daimler und Siemens 1,5 Millionen Mark pro Jahr reichen. Also versuchten Mark Wössner, Aufsichtsratsvorsitzender von Bertelsmann, und der Siemens- Mann Erich Gerard dem wohltätigen Projekt gutbürgerliche Weihen zu verleihen. Sie waren sich einig, daß in jugendliche Brachlandschaften pädagogische Konsumartikel plaziert werden müssen. Um die Kids steht es nämlich schlecht, meinen die doch, daß sie von Politikern nur betrogen würden; was ihre soziale Intelligenz anbelangt, so mochte man den Reden der Gönner entnehmen, sie bewege sich am Rande der Imbezilität, und der Nachwuchs wende sich immer mehr extremen Strömungen zu. Das bereitet Sorge. Also her mit der „Jugendinitiative für Toleranz und Verantwortung“ und her mit Netzwerken, denn ist erst alles global verwoben, wird es auch gut. Da nehmen die Kids sofort ihr „Schicksal in die eigene Hand“ (Lahnstein), fädeln sich in der „netzwerkförmigen Basisarbeit“ (Mangold) von „Step 21“ ein und lernen die „Wertegesellschaft“ so kennen, wie sie die Unternehmer verstehen.

Siemens, Bertelsmann und Daimler haben den Jugendlichen etwas zu sagen: Werdet wie wir! Von uns lernen heißt siegen lernen! Wössner betont, als „Global player“ lebe Bertelsmann Multikulturalität vor. Allerdings treibt ihn etwas um: „Eine ernste Sorge um Gemeinschaftsfähigkeit und um Werteverfall, Verunsicherung und Vereinzelung in unserer Gesellschaft“. Nun könnten sich die Jugendlichen durch die Angebote von „Step 21“ selbst aus ihrem Dilemma helfen.

Meret, die den Rap sang, findet „Step 21“ „okay“, auch wenn sie aus den Worten der Fürsprecher nicht so recht schlau geworden ist und nicht weiß, ob das „ihr Ding“ ist. Bevor die 16jährige wieder zum Flamenco gen Bühne muß, sagt sie noch: „Mal abwarten, was die Typen wirklich so machen werden.“ Markus Völker

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