■ Lucky Streik?
: Was sie nicht wollten

Winter 97, ganz Deutschland ist von aufgebrachten StudentInnen besetzt. Überall wird gestreikt. Straßen und U-Bahnen werden zu Seminaren. Die Heimatfront aus Studierenden und Professoren hält sich solidarisch gegen alle Versuche, Studiengebühren einzuführen. Alle machen mit im Kampf für bessere Studienbedingungen, der Geist von 68 schwebt in der Luft...

Ich weiß, das ist ein Wunschtraum, die Realität sieht so aus:

Winter 98, in ganz Großbri- tannien streiten die Abgeord- neten in Studentenparlamenten darüber, ob die Bierpreise in der Universitätsbar gesenkt werden sollen oder welchen Diskjockey mensch für die nächste große Party auf dem Campus noch engagieren könnte. Letzte Fragen.

Auch das ist nicht ganz wahrheitsgetreu, aber nahe dran. Während in Deutschland und Frankreich StudentInnen und solche, die es werden wollen, in Massen auf die Straße gehen, um ihren Unmut über den Bildungsverfall Luft zu machen, herrscht an meinem Wahlstudienort auf der Insel die große Lethargie. Sicher wußten die streikenden Studis nicht genau, was sie wollten. Aber sie wußten wenigstens, was sie nicht wollten: Studiengebühren.

Währenddessen ziehen auf der Insel New Labour und der allseits geliebte Tony Blair unter großem „Education, education, education“-Getöse als Regierung in London ein. Alle sind hingerissen, alle glauben dem smarten Tony.

Was folgte, sah jedoch anders aus: Bevor wir britischen Studierenden uns versahen, waren die Pläne zur Einführung von Studiengebühren auf dem Tisch, der Lebenskostenzuschuß sollte auch gestrichen werden. Es gab zwei, drei Demonstrationen und ein paar erhitzte Diskussionen – dann waren sie da: Studiengebühren Marke Großbritannien, ab 1998 zahlen alle Studienanfänger. Und zwar deftig: 3.000 Mark pro Studienjahr, Härtefälle ausgenommen.

Auf der Seite der StudentInnen stand ein kurzes Achselzucken und dann zurück an die Bar, wo die gesenkten Bierpreise lockten. Zugegeben dreißig Jahre später ist nicht mehr 68, die meisten deutschen Studierenden haben andere Dinge zu tun, als eine Exegese von Karl Marx' Kapital zu verstehen. Aber doch ist gewisses Interesse an den Dingen vorhanden, die an den Hochschulen vor sich gehen. Es gibt Fachschaften, Studentenvertretungen, einen Haufen aktiver Leute, und wenn es ganz arg wird, gibt es einen Streik. Davon kann die Studivertretung hier nur träumen.

Deswegen Glückwunsch an alle die, die vor einem Jahr in Deutschland dabei waren. Nicht die große Massenbewegung, aber immerhin sind in Deutschland Gebühren nicht die Norm geworden – werden sie auch nicht, dann streiken alle wieder.

Mir bleibt also nur übrig, die Verzehnfachung des Bier- preises durchs Studi-Parlament zu drücken, dieses irgendwie der Regierung in die Schuhe zu schieben, und schon haben wir die Revolution: Biertrinker, Entschuldigung, Studierende aller Länder vereinigt euch!

Die spinnen, die Briten!

Gregor von Cieminski

Der Autor studiert an der University of Strathclyde, Glasgow.