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Nur Rechtsanwälte haben zu tun

Vietnams Wirtschaft lahmt. Kredite sollen über die Asienkrise hinweghelfen, doch auch die eigene Bevölkerung traut der Regierung nicht  ■ Aus Hanoi/Ho-Chi-Minh-Stadt Jutta Lietsch

Still ruht der Swimmingpool der „Sedona Suites“, nur einen Steinwurf vom Ufer des Westsees von Hanoi entfernt. Um das unbenutzte Becken gruppieren sich rosafarbene Apartmentblocks, die besänftigende Pflanzennamen wie „Gingko“ oder „Balsam“ tragen. Soviel Ruhe hatten die Investoren aus Singapur nicht im Sinn, als sie die Luxusanlage mit Tennisplätzen und Fitneßcenter planten: Die meisten Wohnungen stehen leer. Ausländische Mieter, die bis vor kurzem noch bereit gewesen wären, fünf- oder sechstausend Mark im Monat hinzublättern, bleiben aus.

Wie in den asiatischen Nachbarländern ist der Einbruch auf dem Immobilienmarkt augenfälligstes Zeichen der Wirtschaftskrise, die jetzt auch das sozialistische Vietnam voll gepackt hat. „Es wird Jahre dauern, bis jemand wieder ein Großhotel oder einen Büroturm bauen will“, glaubt Matthew Duly vom deutschen Baukonzern Bilfinger und Berger in Ho-Chi- Minh-Stadt, dem früheren Saigon.

Tausende Menschen verlieren ihre Jobs. Vietnam Airlines entließen zum Beispiel 5.000 MitarbeiterInnen, weil die Passagiere ausbleiben. Nur Rechtsanwälte haben alle Hände voll zu tun, um die Klagen von Gläubigern einzureichen. Weil es an Geld fehlt, lieben dringende Infrastrukturvorhaben auf Eis. „Wir haben derzeit gerade mal ein Bauprojekt – und das ist genau eines mehr, als die meisten unserer ausländischen Konkurrenten haben“, sagt Duly. Seine Firma baut eine riesige Brücke im Mekong- Delta. Bezahlt wird sie mit australischen Hilfsgeldern. Mit deutscher Entwicklungshilfe kann Siemens sich an einem Eisenbahnprojekt in Da Nang beteiligen.

Gestern haben die westlichen Geberländer Vietnam weitere Finanzhilfen in Höhe von 2,7 Milliarden Dollar zugesagt. Die Weltbank teilte in Paris mit, die Gelder sollten die schlimmsten Auswirkungen der Finanzkrise abwenden helfen. Jedoch sind 500 Millionen an Reformen im öffentlichen und im Bankensektor gebunden.

Denn die Asienkrise ist nicht der einzige Grund für die Misere. Einen Teil der Schuld hat sich die Regierung selbst zuzuschreiben. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit zermürben in- wie ausländische Manager. Zwar haben die Behörden Anfang des Jahres Zoll-, Visa- und Lizenzformalitäten erleichtert. Doch: „Die Reformen kommen zu spät und zu spärlich“, meint ein vietnamesischer Wirtschaftsanwalt in Saigon.

„Die Asienkrise hat auch ihr Gutes!“ sagt dagegen Peter Bock von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Hanoi. Die Regierung habe einen heilsamen Schreck bekommen und gemerkt, daß sie mit den immer wieder angekündigten Reformen Ernst machen müssen.

Der vietnamesische Ökonom Do Duch Dinh vom staatlichen Institut für Weltwirtschaft zieht eine ganz andere Lehre aus der Krise: Wenn die Regierung auf das Ausland gehört und sich schneller geöffnet hätte, dann stünde Vietnam sicher „noch schlechter“ da. In dieser Situation sei es ganz falsch, sich auf ausländische Investoren und Exportmärkte zu verlassen, sagt er. „Warum produzieren wir so wenig für unseren eigenen Markt? Die meisten Menschen in Vietnam verdienen weniger als einen Dollar am Tag. Sie kaufen billige Kleider und Plastikschüsseln aus China. Weshalb können wir das Zeug nicht selbst herstellen?“

Einfache Industrien würden den 1,4 Millionen Jugendlichen, die jedes Jahr auf den Arbeitsmarkt drängen, einen Job verschaffen. Geld genug wäre da: Über fünf Milliarden Dollar, wird geschätzt, haben die Vietnamesen in den letzten Jahren gespart, die sie nur investieren müßten. Doch angesichts des Mißtrauens gegenüber der immer noch von der kommunistischen Partei beherrschten Regierung bleiben die Ersparnisse noch zu Hause in Schränken und unter den Kopfkissen.

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