Voller Krankenlohn, weniger Scheinselbständige

Berlin (taz) – Mit dem „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte“ nimmt die rot-grüne Regierung nicht nur soziale Verschlechterungen zurück. Für viele Arbeitnehmer ändern sich auch noch andere Rahmenbedingungen. Der Bundestag wollte gestern über das Gesetz abstimmen. Stimmt der Bundesrat zu, wie die Ländern ankündigten, tritt das Gesetz am 1. Januar 1999 in Kraft.

Der wichtigste Punkt im Korrekturgesetz ist die Rücknahme der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Vom 1. Januar an haben wieder alle Arbeitnehmer auch im Krankheitsfall Anrecht auf den vollen Lohn. Urlaubstage dürfen nicht mehr auf Krankheitstage angerechnet werden.

In vielen Branchen ist die 100prozentige Lohnfortzahlung zwar tariflich festgeschrieben, so in der Metall- und Chemiebranche. Auf dem Bau aber gilt in den ersten drei Tagen nur die 80prozentige Lohnfortzahlung. Auch viele Freiberufler und nicht tarifgebundene Unternehmer sind von der Rücknahme betroffen. „Für diese Betriebe steigen die Kosten für Kranke direkt um 20 Prozent“, hieß es gestern beim Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft.

Für Scheinselbständige wird es nach dem Korrekturgesetz künftig teurer werden. Nach der neuen Regelung gilt als „scheinselbständiger Arbeitnehmer“, wer mindestens zwei der folgenden vier Kriterien erfüllt: Er hat keine Angestellten, arbeitet nur für einen Auftraggeber, ist in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert und tritt am Markt nicht als eigene Person unternehmerisch auf. In diesen Fällen wird vermutet, daß eine Arbeitnehmerbeschäftigung vorliegt.

Wenn diese Vermutung vom Betroffenen oder seinem Auftraggeber nicht widerlegt wird, müssen der Scheinselbständige und sein Auftraggeber Sozialversicherungsbeiträge einzahlen. Die Regelung gilt nicht für Handelsvertreter. Mit dieser neuen Regelung wird die Beweispflicht, daß ein Erwerbstätiger tatsächlich selbständig ist, unter bestimmten Umständen auf den tatsächlichen oder vermeintlichen Selbständigen abgewälzt.

Nach dem neuen Gesetz gibt es aber auch „arbeitnehmerähnliche Selbständige“. Darunter fallen Personen, die zwar unzweifelhaft selbständig sind, aber keine Arbeitnehmer beschäftigen und in der Regel nur für einen Auftraggeber ackern. Diese Betroffenen sollen als Selbständige in die Rentenversicherung einzahlen, es sei denn, sie können eine bereits bestehende Lebensversicherung oder eine betriebliche Versorgungszusage nachweisen.

Die Einführung des demographischen Faktors in die Rentenversicherung wird für die Jahre 1999 und 2.000 ausgesetzt. Die Verschlechterungen beim Kündigungsschutz werden mit dem neuen Gesetz wieder rückgängig gemacht. BD