Soundcheck im Knast Fuhlsbüttel

■ Blumfeld-Konzert in Anstalt I / Schließer mit Ohrenschmerzen

Ganze Gebirge fielen den Organisatoren vom Herzen, als die Band am Donnerstag nach zweistündiger Verspätung doch noch eintraf. Immerhin war das kein x-beliebiger Gig, sondern das erste Konzert seiner Art: Die Szene-Combo Blumfeld sollte im Knast Fuhlsbüttel auftreten.

In einem vereinten Kraftakt hatten fünf Gefangene, die sich inzwischen zum Verein „Kultur im Suhrenkamp“ (KIS) zusammengeschlossen haben, gemeinsam mit dem Anstaltspfarrer den Blumfeld-Auftritt möglich gemacht und außer den Insassen auch das engere Band-Umfeld sowie einige Presseleute eingeladen. Während sich in der benachbarten Anstalt II („Santa Fu“) zwei Hausgruppen und andere Initiativen um die Kultur im Knast-Alltag kümmern, hat es selbstorganisierte Aktivitäten dieser Art in der Anstalt I noch nicht gegeben. „Hier sitzen die Leute höchstens drei Jahre, und 80 Prozent von ihnen sind mit Drogenbeschaffung beschäftigt“, umreißt Thorsten Lienau, einer der umtriebigen Insassen, das Problem.

Als Blumfeld dann in der Anstalts-Kirche ihre Gitarren quietschen ließen, hatten sich 150 Gefangene (von insgesamt etwa 370) eingefunden. Rund die Hälfte blieb bis zum Ende, die anderen sorgten für regen Publikumsverkehr. Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer gab nach dem Auftritt zu, daß ihn das Umfeld leicht irritiert habe; „aber gerade deshalb wollen wir jetzt versuchen, eine Knast-Tournee durch die Bundesrepublik auf die Beine zu stellen“, meinte er.

Auch die Fünf von KIS, die alle hoffen, ihr Projekt ab dem kommenden Jahr in Freiheit weiterzubetreiben, haben Pläne: „Wir werden jetzt Autorenlesungen, Kabarett und Theater hierher holen“, erzählt Thorsten Lienau. Kontakte mit den Hamburger Bühnen seien schon geknüpft. Die Euphorie der Beteiligten wurde kurzfristig getrübt, als einige Schließer sich wegen „des Krachs“ beklagten; einer drohte gar mit einer Anzeige wegen Körperverletzung.

Anstaltschef Peter Weiß gibt sich gelassen: „Die können weitermachen, bloß über die Lautstärke müssen wir uns demnächst noch einmal unterhalten“. Pastor Torsten Wessel, Mittler zwischen Knastleitung und Insassen, meint, der Erfolg gebe den Organisatoren recht – schließlich würden bei anderen Veranstaltung kaum zwei Dutzend Interessierte gesehen: „Das ist hier ein Gefängnis und kein Seniorenheim.“ Ulrike Winkelmann