Kommentar
: Das Tabu bricht

■ Seit Rot-Grün regiert, kommen Uni-Gebühren in Mode

Wer hatte gedacht, wie schlicht so eine präsidiale „Old Boys“-Verbindung doch funktionieren kann. Es ist ein gutes Jahr her, daß Bundespräsident Roman Herzog seine Präsidentenkollegen von den Berliner Universitäten mit nach Japan nahm. Bislang hatte die Dienstreise nach Fernost kaum Ergebnise gezeitigt. Bislang. Seit gestern aber wissen wir, daß und wie Reisen bildet. Die Vorsteher von Freier, Technischer und Humboldt-Uni haben ihrem alten Bekannten ins Schloß Bellevue ein Memorandum gereicht. Inhalt: Ohne Uni-Gebühren geht's nicht.

Damit rücken zwei der obersten Akademiker der Stadt von ihrer Meinung und der Beschlußlage ihrer Unis ab. In den FU-Villen in Dahlem und an der Alma Mater in Mitte war bislang nicht klar, daß ausgerechnet klamme Studierende den bankrotten Unis aus der Patsche helfen sollen. Wie auch? Die gerade erschienene Sozialerhebung des Studentenwerks hat die Studis auch diesmal nicht zu den Großverdienern gerechnet, die selbstbewußt als Kunden auftreten könnten. Im Gegenteil: Immer mehr Studis geraten gerade in der Examensphase in finanzielle Engpässe – und machen den so wichtigen Abschluß nicht mehr.

Der Meinungsumschwung ist einem Paradox bei Rot-Grün geschuldet. Kaum war Schröders bunte Truppe in Amt und Würden, drehte sich beim Thema Studiengebühren der Wind. Nun fordert die Regierung in Person der Bildungsministerin Bulmahn ein Verbot von Gebühren – aber eine ganze Reihe gesellschaftlicher Gruppen will plötzlich das genaue Gegenteil. Schon im Oktober brach die gewerkschaftsnahe Hanns-Böckler-Stiftung das Tabu der Linken: Bildung müsse auch Gegenstand privater Vorsorge sein. Nicht anders wird unter Studis diskutiert. Kein Wunder, daß es dem TU-Präsidenten Ewers leicht gelang, seine Kollegen zu einem so deutlichen Votum zu bewegen.

Leider ist den Präsis wieder wenig zu einer echten sozialen Abstützung eingefallen. Daß man über Gebühren reden muß, ist kaum mehr bestreitbar. Aber ohne ein Bafög für jedermensch würde das bezahlte Studium den Bildungszugang sozial spalten. Und das ist, universitäre Finanzprobleme hin oder her, nicht hinnehmbar. Immer noch. Christian Füller