■ Den Haager Tribunal verurteilt Angeklagten wg. Vergewaltigung: Gewisser zivilisatorischer Fortschritt
Der 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte brachte nicht nur Schreckensmeldungen – etwa von der Ermordung iranischer Regimekritiker –, die zeigen, wie aktuell diese Erklärung weiterhin ist. Es gab auch einige Lichtblicke, die zum Ende dieses an ungesühnten Menschenrechtsverbrechen überreichen Jahrhunderts einen gewissen zivilisationsgeschichtlichen Fortschritt anzeigen. Dazu gehört neben der Entscheidung des britischen Innenministers, das Auslieferungsverfahren gegen Ex-Diktator Pinochet zuzulassen, vor allem das bahnbrechende Urteil des Den Haager Jugoslawientribunals wegen sexueller Verbrechen.
Damit wurde eines der häufigsten, von Tätern wie Opfern lange tabuisiertes Kriegsverbrechen der Menschheitsgeschichte erstmals juristisch geahndet: die oft systematisch betriebene Vergewaltigung und sexuelle Folter der Frauen, Töchter, Mütter und Schwestern des Feindes.
Mit Blick auf zahlreiche ähnliche Fälle, die vor dem Den Haager Tribunal und andernorts noch zur Verhandlung anstehen, sind vier Aspekte dieses Urteils besonders wichtig: Die infame Strategie der Verteidigung, die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin mit Hinweis auf ihr durch Vergewaltigung und Folter verursachtes Trauma zu zerstören, wurde zurückgewiesen. Freilich hätte das Gericht auch allein auf Basis der Sachverständigenaussagen zu diesem Ergebnis gelangen können; die Zeugin zweimal der Tortur des Kreuzverhörs zu unterziehen, war völlig überflüssig.
Zweitens hat sich das Gericht die über die UNO- Folterkonvention von 1984 hinausgehende Definition von Folter nicht nur als „Instrument zur Erzwingung von Aussagen“, sondern als „Mittel der Erniedrigung“ zu eigen gemacht. Weiterhin stellten die RichterInnen fest, daß Vergewaltigung unter bestimmten Umständen den Tatbestand dieses erweiterten Folterbegriffs erfüllt. Und schließlich urteilten die Richter, daß schuldig nicht nur ist, wer foltert und vergewaltigt, sondern auch, wer diese Verbrechen als Vorgesetzter anordnet oder auch nur zuläßt.
Ein gutes Urteil. Trotzdem wird es auch künftig Versuche geben, die Glaubwürdigkeit von ZeugInnen zu zerstören und sie durch Drohungen einzuschüchtern. Ein Rechtsbeistand für ZeugInnen und ein verbesserter Schutz für sie ist weiterhin dringend erforderlich. Andreas Zumach
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