Frust auf dem Landmaschinenfriedhof

■ Geschäftsführer der Landmaschinenfabrik Mengele sind abgetaucht, und die Firma ist trotz hervorragender Produkte im Konkurs

Günzburg (taz) – In Bayern, im nördlichen Regierungsbezirk Schwaben, sorgt eine Konkurswelle für Aufregung. Fünf Firmen aus der Metallbranche haben in den vergangenen Wochen Konkurs angemeldet. Die Arbeitslosenquote ist um 25 Prozent nach oben geschnellt. Die bekannteste Firma ist die Landmaschinenfabrik Mengele, deren Kipper und Ladewagen von vielen Bauernhöfen kaum wegzudenken sind. Lange Zeit galt die Firma Mengele europaweit als Marktführer für Erntetechnik und lieferte die Produkte weltweit aus.

„Es herrscht Endzeitstimmung bei uns“, sagt der Betriebsratsvositzende Reinhold Hauke. Der Konkursverwalter hat zunächst knapp 300 der rund 450 Beschäftigten freigesetzt. „Die noch beschäftigten 148 sind noch zwei bis vier, vielleicht auch fünf Monate mit der Auslaufproduktion beschäftigt“, sagt Personalchef Joachim Arndt. „Es gibt interessante Verhandlungen mit ehemaligen Konkurrenten – dann muß aber kräftig rationalisiert werden“, sagte allerdings gestern Konkursverwalter Hans-Jörg Derra.

Die Landmaschinenfabrik hat zuletzt zur Bidell-Gruppe gehört, die mit drei weiteren Betrieben Konkurs anmelden mußte. Nur eine davon, die Günzburger Werkzeugmaschinenfabrik (GWF) hat gute Chancen, übernommen und weitergeführt zu werden. „Mißmanagement“ werfen der Günzburger Oberbürgermeister Rudolf Köppler und der IG-Metall-Bevollmächtigte Michael Knuth den Inhabern vor. Die beiden Chefs seien seit Wochen abgetaucht.

Verbittert sind die Beschäftigten, die zum Teil schon 25, 30 und mehr Jahre hier arbeiten. „Meine Tochter und mein Sohn haben hier gearbeitet“, sagt ein 53jähriger Mitarbeiter. „Die hocken jetzt vor Weihnachten auf der Straße, und ich wohl auch bald.“ Ein anderer arbeitet seit 33 Jahren in der Firma und schafft in der riesigen Fabrikhalle, die einem Geisterbetrieb ähnelt und eine hervorragende Krimi-Kulisse abgeben würde, als könnte er mit seinem Arbeitseifer die Firma doch noch retten.

Draußen auf dem Betriebshof kommt man sich vor wie auf einem Friedhof der Landmaschinen. Annähernd 450 neue Ladewagen und Kipper stehen eingeschneit nebeneinander. Dabei genießen die Landmaschinen nach wie vor einen hervorragenden Ruf. Erst vor kurzem sei das Ladewagenkonzept komplett überarbeitet und auf ein Baukastensystem umgestellt worden, merkt IG-Metall-Mann Knuth an.

Trotzdem hatte die Flaute in der Landmaschinenbranche die Firma Mengele schon vor etlichen Jahren erfaßt. Es kommt freilich noch etwas hinzu, was in Günzburg immer gern verdrängt wurde: Die Diskussion um den KZ-Arzt Josef Mengele, einen Sohn des Firmengründers. „Immer wieder, wenn über Josef Mengele was berichtet wurde, tauchten Kamerateams auf und filmten in Günzburg“, berichtet der Betriebsratschef. „Wir hatten mit diesem Abschnitt der Vergangenheit als Betriebsräte schon auch unsere Not.“ Aber als einmal der Versuch unternommen worden sei, bei einem anderen Mengele-Werk, nämlich der GWF, den Namen Mengele in der Unterzeile wegzulassen, lief das Geschäft deutlich schlechter. „In Fachkreisen war der Name Mengele immer ein Qualitätsbegriff.“

So ist denn auch nur gelegentlich hinter vorgehaltener Hand in der Kleinstadt zu hören, die frühere Firmenleitung hätte wohl gut daran getan, sich einen anderen Namen zu geben. Ob es wirklich etwas gebracht hätte, will niemand beurteilen.

Klaus Wittmann