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Abschied von zwei Augenbrauen

■ Welches Gute-Nacht-Lied er seinem Sohn vorsingt, hat Theo Waigel bei Biolek erzählt und die Freuden des Privatlebens gepriesen. Gestern leitete der CSU-Vorsitzende seine letzte Vorstandssitzung

München (taz) – Nach der gestrigen CSU-Vorstandsitzung ist Theo Waigel seinem idealen Privatleben, wie er es gerne in Interviews zum besten gab, wieder ein Stückchen nähergekommen – es war die letzte Sitzung unter seiner Führung. Wir stellen uns das mal vor: Von seiner Irene auf Diät gesetzt, wird der pensionierte Parteivorsitzende wandernd durch die herrliche alpine Landschaft Bayerns streichen, ab und an mahnend den Blick und das Wort in Richtung Berlin richten, ansonsten seine gigantischen Augenbrauen bürsten und damit internationale Wettbewerbe gewinnen.

Jeden Abend kann er dann seinem Sohn ein Gute-Nacht-Gedicht sprechen: „Peterchen, stille, stille / Der Mond trägt eine Brille / Ein graues Wölkchen schiebt sich vor / und setzt sich leis' auf Nas' und Ohr / Peterchen, stille, stille.“ – „Noch mal, Papa!“ pflegt an dieser Stelle Waigels Sohn zu rufen, wie es Waigel zu Gast bei Biolek enthüllte. Aber so weit wollen wir dann doch nicht gehen. Etwas mehr als zehn Jahre lang wird Theo Waigel Parteivorsitzender der CSU gewesen sein, wenn er am 16. Januar vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber abgelöst wird, und fast genausolange war er auch Finanzminister in Bonn.

Nach verlorener Bundestagswahl im letzten September zog er am Tag danach bereits die Konsequenzen als Parteivorsitzender und stellte sein Amt zur Verfügung – schließlich trug er die Hauptverantwortung für das vergleichsweise schlechte Abschneiden der CSU im Bund. Besonders deutlich wurde die Schlappe, weil Waigels parteiinterner Konkurrent Stoiber bei der Landtagswahl vierzehn Tage zuvor ein überraschend gutes Ergebnis für die CSU geholt hatte. Für die Partei und deren Visionen sprach fortan Waigels ungeliebter Nachfolger Stoiber – dem Mann mit den buschigen Augenbrauen blieben die administrativen Aufgaben.

Kurz vor seiner letzten Sitzung als Leiter des Parteivorstandes zog Waigel noch einmal – was auch sonst – eine positive Bilanz seiner Arbeit. Es sei gelungen, den Standort und die Kraft der CSU im deutschen und europäischen Parteiengefüge zu erhalten. Die CSU sei nach der Bundestagswahl die drittstärkste Kraft in Deutschland. „Wir haben das, was wir an Einfluß hatten, nicht geschmälert, sondern bewahrt und vermehrt.“ Wie war das gleich? „Der Mond trägt eine Brille“?

Mit der CSU, so scheint es, will Waigel trotz der positiven Bilanz nicht mehr allzuviel zu tun haben. Er habe den Landesvorstand gebeten, ihn „um Gottes willen nicht zum Ehrenvorsitzenden“ zu machen, sagte er am Montag. Sein Adlatus, der ebenfalls scheidende CSU-Generalsekretär Bernd Protzner, zeigte sich beflissen wie stets: Die CSU-Führung habe Waigels Bitte entsprochen.

So stellt sich die Frage: Jetzt, mit Abstand betrachtet und dem Blick auf seinen Nachfolger Oskar Lafontaine, einen im Umgang wohl eher unangenehmen Zeitgenossen, hatte Waigel nicht doch etwas väterlich Liebenswürdiges? Hätte ihn jemals eine englische Zeitung aufgefordert, sich zu verpissen? Und hat er nicht für einen stabilen Euro gesorgt und uns vor einer Währung mit dem Kürzel „ECU“ bewahrt, während einige seiner Parteifreunde noch am liebsten zur Monarchie zurückgekehrt wären? Stefan Kuzmany

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