: Gezählte Tage unhaltbarer Orte
■ Kaum hat ein Club geöffnet, ist er wieder verschwunden. Der Nachtclub Entertainment 4 könnte – für heute – die Rettung sein
Früher, jahaa, früher, da war eh' alles besser. Da waren wir erstens jünger, sahen zweitens besser aus, und drittens gab es noch exklusive Clubs mit prima Musik und nicht solchen Mitte-Standard-Acid- Jazz-TripHop-Cocktail-Läden wie heute. Manche bzw. viele von uns sind damals regelmäßig zu den Clubabenden des bewährten Unterhaltungstrios Mentrup/Schmitz/ Basrawi gegangen, dessen erster Ort der „Dutschke-Club“ im 90-Grad-Hinterzimmer war, Besonderes: Hübsche Sektthekenkräfte, viel Beatles und nur mittwochs. Club Nr. 2 nannte sich „Kinski“ und passierte auch immer mittwochs im legendären Friseur, Kronenstraße, plus Veranstaltungen, Konzerte, Lesungen und so fort. Danach gaben die Partymacher mit dem „Goethe-Entertainment in Bild und Ton“ ein kurzes Stelldichein im Sputnik Südstern, der Club hatte kaum auf, mal eben eine Party, und schwups! auch schon wieder zu und vergessen.
Aber Mentrup/Schmitz/Basrawi geben nicht auf und versuchen seit ein paar Wochen, mit „Entertainment 4“ ehemalige In- Kneipen wie das Wiener Blut in Kreuzberg zu retten. Manchmal sitzen sie dort einfach nur mittwochs herum und lachen über die Musik (verschiedene DJs), meistens haben sie aber ein schönes Konzept für den Abend parat. So wie heute: Das Künstlerpaar Nina Fischer und Maroan el Sani hat aus seiner diesjährigen Ausstellung „Phantomclubs“ ein Buch gemacht. Darin sind Fotos, die die Künstler an einigen Sommertagen von Clubs in Mitte gemacht haben, Clubs, die Ähnlichkeit mit Phantomen haben: „Man hat davon gehört, aber oft sind sie schon wieder weg, wenn man das erste Mal hinkommt, oder es ist der falsche Tag“, erklären sie im Vorwort des Buches „Klub 2000“.
Es ist faszinierend, wie wenig tagsüber auf die Bars hinweist: eine verwaiste, mit tags verschmierte, alte Tür, ein zugewachstes Fenster, und hier soll man sich gestern Abend noch bestens amüsiert, betrunken, in Grund und Boden geredet und geflirtet haben? „Rom, Paris, Marzahn“ heißt der andere Teil des Kunstprojektes, dazu gehört ein Kurzfilm, und die Dokumentation einer Art Butterfahrt nach Marzahn, um dort die Clublandschaft am Tage auszukundschaften, oder, wie es im Buch formuliert ist: „Die Vision einer künftigen angesiedelten Clubszene in der Vorstadt Marzahn zu entwerfen.“ Wie auch immer, das Phänomen der temporären Erscheinung „angesagter Nachtclub“ an einem Ort wie dem Entertainment 4 vorzustellen, ist logisch und vernünftig. Und dem Wiener Blut steht ein bißchen angenehmer Kunstbetrieb mit trinkfreudigen Interessenten bestimmt auch gut. Jenni Zylka
Buchvorstellung plus Kurzfilme und DJs, 16. Dezember, 21 Uhr, Wiener Blut, Wiener Straße 14, 10999 Kreuzberg
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