: Pin-ups & Pommes
■ Allabendlich treffen sich die Brummis am "Truckstop Geiselwind" (21.45 Uhr, ARD)
„Blink nicht. Kämpfe!“ klebt auf einer der Fahrerkabinen, die als rollende Kleinwohnungen einen 7,5-Tonnen-Truck ziehen. Die modernen Nomaden, die in diesen mit Wimpeln und Pin-ups ausstaffierten CB-Funk-Buden schlafen, essen und vor allem am Steuer sitzen, treffen sich in Autohöfen und Raststätten entlang der Autobahnen. Petra Höfer und Freddie Röckenhaus haben in ihrem Dokumentarfilm den größten Autohof Europas, „Geiselwind“ im Unterfränkischen, besucht und die Trucker und Truckerinnen reden lassen. Herausgekommen ist das verständnisvolle Porträt eines schweren Berufes, der für familiäre Bindungen oder Cowboy-Romantik keinen Raum läßt.
So treffen die Filmemacher beispielsweise auf Kerstin Pos, die unter wild aufgetürmter, weißblonder Haarpracht unprätentiös erzählt: „Ich habe gar keine andere Wohnung mehr. Mir gefällt das, ich fahre seit zwölf Jahren.“ Manchmal wundert sich die Lkw- Pilotin über ihre Fracht: „Neulich habe ich Blumen nach Rumänien gebracht. So ein Quatsch, die Menschen hungern da, was brauchen die Blumen...“ Ein Kollege muß „Pommes nach Sarajevo“ fahren, der nächste bringt „Katzenstreu nach Hannover“.
Die meisten ärgern sich über das Europa ohne Grenzen, das ihnen billigere ausländische Konkurrenz beschert und Rassismen fördert: Neid auf „die Polacken“, die mit ihren Lastern nicht den gleichen Geschwindigkeitsbegrenzungen unterliegen – und was ist schließlich für einen Mann schlimmer, als auf der Autobahn überholt zu werden –, und Ärger über „Holländer und Türken“, die „die Preise kaputt machen“. Aber vor allem haben die Opfer der „Just in time“-Marktstrategie mit Spediteuren zu kämpfen, die mit Entlassung drohen, wenn die Ware nicht rechtzeitig abgeliefert wird, und mit Polizisten, die sie bei Nichteinhaltung der Pausenzeiten aus dem Verkehr ziehen.
Sie werden einem richtig sympathisch, diese bulligen Fernfahrer, die tatsächlich Hausmannskost und komische Unterhemden zu lieben scheinen. Ein wahrer Freund und Helfer zeigt sich verständnisvoll und berichtet von Fahrern, die extra anrufen, um eine Fahrzeitunterbrechung zu erwirken, wenn sie zu müde sind: „Das darf der Arbeitgeber dann nicht mitkriegen, sonst fliegen sie raus.“ – Arme Brummis. Man traut sich gar nicht mehr zu fluchen, wenn man auf der Autobahn hinter einem klebt. Jenni Zylka
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