: WAA-Verbot rechtlich möglich
Ein gesetzliches Verbot der Wiederaufarbeitung von Atommüll ist rechtlich möglich, so Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnisgrüne). Strittig ist nur der zeitliche Rahmen des Atomausstiegs ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente vermehrt nur das Volumen des Atommülls, ihr Hauptprodukt ist der Bombenstoff Plutonium, und weitaus teurer als die direkte Endlagerung ist sie obendrein. „Beschränkung der Entsorgung auf die direkte Endlagerung“, lautet denn auch im rot-grünen Koalitionsvertrag einer der sechs Punkte, die mit einer Änderung des Atomgesetzes schon in den ersten 100 Regierungstagen durchgesetzt werden sollen.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnisgrüne) will diese Vorgabe konsequent durch ein Verbot der Wiederaufarbeitung umsetzen. Nach seiner Auffassung ist dies möglich, ohne daß Vertragsstrafen auf die deutschen AKW-Betreiber oder Schadenersatzforderungen auf den Bund zukommen. Die Rückendeckung des Bundeskanzlers hat Trittin in dieser Frage bisher nicht. Die vertraglichen und völkerrechtlichen Fragen müßten beachtet und geklärt werden, verlangte Gerhard Schröder am Montag nach seinem Konsensvorgespräch mit den Vorstandsvorsitzenden von vier großen Energieversorgern. Eine „öffentliche Bewertung“ der strittigen Schadenersatz- oder Entschädigungsfrage wollte Schröder nicht abgeben.
Die Materie ist in der Tat nicht nur rechtlich, sondern auch politisch kompliziert: Es gibt alte Wiederaufarbeitungsverträge, die weitgehend abgearbeitet sind. Und es gibt neue Verträge, in denen bei höherer Gewalt – als solche gilt ein gesetzliches WAA-Verbot – die eigentlich vorgesehenen Vertragsstrafen an den französischen Wiederaufbereitungskonzern Cogema in La Hague für eine Nichterfüllung des vorgesehenen Wiederaufarbeitungsvolumens entfallen.
Zudem gibt es aber auch ein Regierungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich, in dem sich beide Seiten verpflichtet haben, die Erfüllung der Verträge nicht zu behindern und für die Rückführung des bei der Wiederaufarbeitung angefallenen Mülls nach Deutschland zu sorgen.
Dieses Abkommen ist allerdings kein völkerrechtlich vom Deutschen Bundestag ratifizierter Vertrag und insofern für den Gesetzgeber nicht bindend. Aus dem Regierungsabkommen könnte die Cogema nach einem gesetzlichen Verbot der Wiederaufarbeitung demnach keine Schadensersatzforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland ableiten.
Immerhin könnte Frankreich ein Verbot der Wiederaufarbeitung und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen für die Cogema noch als unfreundlichen Akt betrachten. Cogema könnte im Gegenzug eine sofortige Rückführung der bei ihr lagernden Wiederaufarbeitungsabfälle ins Gorlebener Zwischenlager verlangen.
Im Bundesumweltministerium verweist man allerdings darauf, daß die Regierung des Nachbarlandes beim letzten deutsch-französischen Gipfel in Potsdam das Recht der Bundesrepublik auf eine eigenständige Energiepolitik anerkannt habe. Die Aufgabe der dort eingesetzten deutsch-französischen Arbeitsgruppe, für die hierzulande Schröders Kanzleramt zuständig ist, sei nur noch die Abwicklung des Ausstiegs aus der Wiederaufarbeitung.
Eigentlich strittig zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Bundeswirtschaftsministerium und auf der anderen Seite dem Bundesumweltminister ist momentan der zeitliche Rahmen des Ausstiegs, ob die Wiederaufarbeitung sofort beendet wird oder ob es noch eine Karenz- oder Übergangszeit gibt.
Neuen Streit über mögliche Kosten des Atomausstiegs hat unterdessen eine Studie ausgelöst, die der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Pfaffenberger für die Stromindustrie verfaßt hat. Danach würde ein vollständiger Ausstieg innerhalb der nächsten fünf Jahre Mehrkosten von knapp 90 Milliarden Mark bis zum Jahr 2030 verursachen. Bündnisgrüne und Umweltschützer warfen Pfaffenberger vor, ein reines Gefälligkeitsgutachten für die Atomindustrie erstellt zu haben.
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