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EU-Kommission baut auf die SPD

Das Europaparlament entscheidet morgen über die Entlastung der EU-Kommission – also über die Zukunft der Kommissare, denen Korruption vorgeworfen wird  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Der EU-Kommission könnte es jetzt an den Kragen gehen. Das Europäische Parlament stimmt am Donnerstag darüber ab, ob es der Behörde die bereits mehrfach verschobene Entlastung für den Haushalt 1996 verweigert. Die logische Folge wäre dann ein Mißtrauensvotum, das zum Sturz der gesamten EU-Kommission führen könnte.

Grüne und konservative deutsche Abgeordnete halten es für unverantwortlich, der EU-Behörde angesichts der zahlreichen Korruptionsvorwürfe die Entlastung zu geben, ihr also eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zu bescheinigen. „Wir haben eine Kontrollaufgabe“, sagte die grüne Haushaltsexpertin Edith Müller gestern in Straßburg, das Parlament dürfe die Bürger Europas nicht enttäuschen.

Doch die Sozialdemokraten haben andere Sorgen. Sie fürchten ein Scheitern der deutschen EU- Präsidentschaft, wenn die Kommission ausgerechnet jetzt aus dem Amt gejagt würde. Osterweiterung, Agrarreform und die Verhandlungen über die Neuverteilung der Finanzlasten würden gefährdet.

Noch vor wenigen Wochen gaben sich auch die deutschen Sozialdemokraten entschlossen. Sie fanden es „unerträglich“, daß EU-Beamte beispielsweise Hilfsgelder, die für Bosnien bestimmt waren, zur Finanzierung externen Personals zweckentfremdet hatten. Unter diesen externen Angestellten fanden sich dann auch noch erstaunlich viele Freunde und Verwandte der französischen Kommissarin Edith Cresson und ihrer engsten Mitarbeiter. Was die Sozialdemokraten am meisten erboste, waren die Versuche der EU-Kommissionsspitze, das Ganze zu vertuschen. „Wenn diese noch einen Funken Ehre im Leib hat, muß sie zurücktreten“, wetterte Klaus Hänsch, Ex-Parlamentspräsident und Spitzenkandidat der SPD für die kommenden Europawahlen.

Aber seit dem Regierungswechsel hat sich die Stimmung bei den deutschen Abgeordneten gedreht. Jetzt sind es CDU und CSU, die Konsequenzen fordern, die Sozialdemokraten dagegen wollen der Regierung in Bonn die am 1. Januar beginnende deutsche EU- Präsidentschaft nicht vermasseln. Die Sozialisten aus den meisten anderen EU-Ländern halten die Vorwürfe gegen die Kommission ohnehin für überzogen, was damit zusammenhängen mag, daß die Spur der Betrugsfälle in die Kabinette der sozialdemokratischen Kommissare Cresson und Manuel Marin führt.

Der Haushaltskontrollausschuß, in dem alle Fraktionen vertreten sind, empfahl dem Parlament mit 14 zu 13 Stimmen die Entlastung der EU-Kommission.

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