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„Verstorbene können sich nicht mehr wehren“

■ Der Biologe Hjoerleifur Guttormsson sitzt für die Unabhängige Fraktion im isländischen Parlament

taz: Ihre Fraktion hat sich dagegen ausgesprochen, daß alle Gesundheitsakten in einer Datenbank zusammengeführt werden. Wollen Sie damit verhindern, daß Forscher diese Daten nutzen?

Hjoerleifur Guttormsson: Wir sind nicht prinzipiell gegen die Verwendung der gesundheitlichen Daten zu Forschungszwecken. Nur muß man damit äußerst vorsichtig umgehen. Denn immerhin handelt es sich um sehr persönliche Daten. Wir sind gegen eine zentrale Datenbank.

Wie sieht Ihre Alternative aus?

Unser Vorschlag ist, daß man die Möglichkeit prüft, ob die Informationen über die Patienten und ihre Krankenakten in dezentralen Datenbanken genutzt werden könnten. Für einzelne Forschungsprojekte könnten dann die notwendigen Daten, und nur diese, abgefragt werden. Nur so können wir sichern, daß das auch nur mit Zustimmung der Patienten durchgeführt wird. Die Betroffenen müssen das Recht haben, sich bei jedem einzelnen Projekt neu zu entscheiden, ob ihre persönlichen Daten verwendet werden dürfen.

Ist eine Zustimmungspflicht im Gesetz nicht vorgesehen?

Die Patienten sollen erst gar nicht gefragt werden. Sie können zwar laut Gesetz sagen, ich möchte nicht, daß meine Daten an den zentralen Computer weitergeleitet werden, aber sie müssen es von sich aus tun. Sie müssen selbst aktiv werden. Viele Patienten sind dazu gar nicht in der Lage. Denken Sie nur an die große Gruppe, die unter Altersverwirrtheit leidet, an die Geistigbehinderten, an Komapatienten oder auch Kinder. Zudem sind viele Isländer im Ausland, die können es nur schwer verhindern, daß ihre Daten weitergegeben werden. Auch die Verstorbenen können sich nicht mehr wehren.

Welche Informationen sollen denn in die Datenbank einfließen?

Das ist noch nicht einmal ganz klar. Im Gesetz wird lediglich erwähnt: Gesundheitsdaten, die Informationen aus Genbanken und genealogische Daten, das heißt die Ahnenreihen. Auch wenn diese Daten anonymisiert werden, ist es ein leichtes, mit diesen Informationen einzelne wieder herauszufiltern. Was letztendlich mit dieser Datensammlung gemacht wird, soll ein Ausschuß entscheiden, der noch eingerichtet werden soll. Aber im Gesetz sind weder Kriterien für Forschungsprojekte aufgeführt noch wird gesagt, wie sich der Ausschuß zusammensetzt. Ich befürchte sogar, daß auch deCode einen Vertreter in diesem Ausschuß haben wird.

Wie wird es Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen?

Das Gesetz wird vermutlich mit großer Mehrheit verabschiedet. Aber dann werden erst die Schwierigkeiten beginnen, das Gesetz auch umzusetzen. Die staatlichen Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser sind in einer schwierigen Lage, weil deCode ja unter anderem das Projekt finanzieren wird. Sie werden aus finanziellen Gründen das Angebot schlecht zurückweisen können. Aber die Ärzte können selbst bestimmen, ob sie mitarbeiten. Eine große Anzahl der Ärzte hat schon eine Erklärung unterzeichnet, daß sie keine Daten liefern werden. Auch Forschungsinstitute werden die Zusammenarbeit verweigern. Dazu werden sicherlich Gerichtsverfahren kommen. Denn sowohl nach EU-Recht als auch nach isländischem Wettbewerbsrecht ist es kaum zulässig, daß einer einzelnen Firma ein Monopol für die Auswertung dieser Datensammlung zugesprochen wird.

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